Syrien-Treffen in Wien: John Kerry, der Unermüdliche

John Kerry
John Kerry(c) AFP (CARLO ALLEGRI)
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Von Irans Atomwaffen über den Nahostkonflikt bis zum Bürgerkrieg in Syrien schickt US-Präsident Obama seinen Außenminister vor, um vertrackte Probleme zu lösen.

Washington. Donnerstag Berlin, Freitag Wien, übers Wochenende Amman und Riad: John Forbes Kerry hat sich einem eng getakteten Reiseplan unterworfen in seinen Bemühungen, das Blutvergießen in Syrien zu beenden. Ob es ihm gelingen wird, bei der Konferenz im Hotel Imperial eine Einigung mit seinen Pendants aus Russland, Saudiarabien und der Türkei zu erzielen, ist fraglich.

Erst am Mittwoch war Syriens Machthaber, Bashar al-Assad, überraschend in Moskau aufgetaucht, wo er sich bei der russischen Regierung für deren militärische Hilfe im Kampf gegen seine Gegner bedankte: Assad, den Kerry noch Anfang 2009 als Schlüsselfigur für ein Friedensabkommen zwischen Israelis und Palästinensern sah, ehe er ihn nach einem 1400 Todesopfer fordernden Giftgasangriff der syrischen Armee vor zwei Jahren als „Despoten“ ächtete. „Nur eines steht einer Lösung im Weg, und das ist eine Person namens Assad – Bashar al-Assad“, sagte Kerry am Donnerstag in Berlin vor seinem Treffen mit dem deutschen Außenminister, Frank-Walter Steinmeier.

Ein zäher Verhandler

In der Regierungsmannschaft von Präsident Barack Obama erweckt der 71-jährige Kerry heute als einziger Minister den Eindruck, sein Amt freudvoll zu bestreiten. Dabei bietet die weltpolitische Sicherheitslage wenig Anlass zur Zuversicht für einen amerikanischen Außenminister. In Afghanistan sind die Taliban nach 14 Jahren US-geführter westlicher Besatzung heute so stark wie seit ihrer Niederlage im Dezember 2001 nicht mehr. Der Irak kann sich aus den sektiererischen Mordkampagnen von Schiiten und Sunniten nicht lösen. In Israel droht eine dritte Intifada radikalisierter Palästinenser. Und nach mehr als 300.000 Toten ist der syrische Bürgerkrieg in seinem fünften Jahr ohne Aussicht auf ein Ende.

Diese trüben Aussichten auf Frieden im Orient scheinen Kerrys Tatendrang nicht zu dämpfen. Auch seine Kritiker anerkennen die zähe Hartnäckigkeit dieses Yale-Absolventen und Vietnam-Kriegsveteranen. Mehr als zwei Wochen lang verharrte er heuer in Wien, um die Verhandlungen über die Eindämmung des iranischen Atombombenprogramms persönlich zu einem Abschluss zu bringen: So lang hat sich seit den Pariser Friedensgesprächen, bei denen Henry Kissinger das Ende des Vietnam-Krieges ausverhandelte, kein US-Außenminister mehr hinter einen Gesprächsprozess geklemmt. „Kerry ist möglicherweise der wichtigste US-Außenminister seit Henry Kissinger“, hielt der „New Yorker“ anerkennend fest.

Dabei wollte Kerry in Genf bleiben. Während einer Radtour war er in den französischen Alpen gestürzt und hatte sich den Oberschenkel gebrochen. Medizinisch wäre Genf angeraten gewesen, doch kolportierterweise gelang es Österreichs Außenminister, Sebastian Kurz, seine deutschen und britischen Amtskollegen Steinmeier und Philip Hammond als Fürsprecher Wiens zu gewinnen. Dass Kerrys Familie teilweise aus Österreich stammte, spielte keine Rolle. Vor Amtsantritt im Februar 2013 hatte er Österreich nie besucht, familiäre Kontakte gibt es kaum.

Zu Russlands Außenminister, Sergej Lawrow, dagegen hat Kerry einen Draht. Die beiden erkannten beim Ringen um den Deal über die Vernichtung der syrischen Giftwaffen, dass sie trotz aller Unterschiede miteinander arbeiten können. Im Jänner 2014 überreichte er Lawrow im Spaß zwei Erdäpfel aus Idaho, nachdem der Russe bemerkt hatte, das seien die wichtigsten Exportgüter dieses US-Teilstaates.

Obamas Krisenvorhut

Persönliche Chemie ist das eine, Realpolitik das andere. Es half Kerry nichts, dass er Israels Ministerpräsidenten, Benjamin Netanjahu, seit den Siebzigerjahren kennt, als dieser in Boston arbeitete. Der Nahostfrieden, an dem er monatelang ähnlich selbstvergessen gearbeitet hatte wie nun an der Syrien-Frage, sollte nicht sein.

Und so wird Kerry die letzten 15 Monate im State Department pflichtgetreu jene Rolle erfüllen, die Präsident Obama ihm zugewiesen hat: als diplomatische Vorhut, die jenen großen außenpolitischen Durchbruch wagen soll, mit dem Obama seine Ära zu krönen hofft. Glückt dies, wird der Präsident sich zum Vater des Erfolgs machen. Scheitert Kerry, wird ihn das Weiße Haus für seine Tapferkeit loben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2015)

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