„Nie wieder“: Das Versprechen der UNO

2005 gelobte die UNO, bei Völkermord zu handeln. Darfur war die Nagelprobe.

WIEN.Es war dieselbe Losung wie nach dem Holocaust. „Nie wieder“ sollte die Welt einem Genozid wie in Ruanda zusehen. Dem Mann, dem es gelang, die Vereinten Nationen auf dieses Gelöbnis zu verpflichten, trieben vermutlich Schuldgefühle an: Kofi Annan, der spätere Generalsekretär, war in der UNO für Friedenssicherung zuständig, als in Ruanda 800.000 Menschen ermordet wurden.

„Responsibility to protect“ heißt das Prinzip, auf das sich die UNO im September 2005 geeinigt hat. Demnach hat in erster Linie der Staat die Verantwortung, seine Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Klappt das nicht, soll dabei die UNO helfen. Reicht auch das nicht, ist die internationale Gemeinschaft bereit, notfalls auch mit Gewalt einzugreifen, um das Morden zu stoppen.

Vier Jahre und zehntausende Tote in Darfur später stellt sich die Frage, ob das nicht alles nur graue Theorie geblieben ist. Zu den Skeptikern zählt Chris Brown von der London School of Economics: „Die UNO hat der Responsibility to protect zugestimmt, weil der Sicherheitsrat, nicht nur China und Russland, glaubte, dass daraus keine wirklichen rechtlichen Verpflichtungen erwachsen.“

Mayr-Harting und die Ideologen

Die Verfechter lassen trotzdem nicht locker. Dieser Tage legte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon einen Bericht zur Umsetzung des Konzepts vor. Darin ist viel von Frühwarnsystemen die Rede.

Am Donnerstag begann darüber eine Debatte in der UNO. Sie verläuft entlang ideologischer Fronten. Dafür sorgt allein schon der Präsident der Generalversammlung, der nicaraguanische Exaußenminister Miguel d'Escoto Brockmann. Für den Altsandinisten (76) und seine Mitstreiter aus Venezuela oder dem Iran verbirgt sich hinter der Idee, bei Völkermord in einem anderen Staat zu intervenieren, nichts weiter als kolonialistisches Denken. Ihnen gilt Nichteinmischung als höchstes Gut.

Thomas Mayr-Harting, Österreichs Vertreter im Sicherheitsrat, und seine EU-Kollegen kämpfen nun darum, dass das „bedeutsame Dokument“ nicht verwässert wird. Der Botschafter weiß, dass das Ideal nicht erreicht wurde, weder in Darfur noch im Kongo. „Doch wie“, so fragt er, „sähe die Lage aus, wenn die UNO dort gar nicht präsent wäre?“ Als Erfolg wertet er wie Kofi Annan die Vermittlung in Kenia. Damals, 2008, brachen nach der Präsidentenwahl ethnische Kämpfe aus. Es gelang schließlich, eine Machtteilung auszuverhandeln. „Intervention hat zuvorderst eine diplomatische Dimension. Militärisches Eingreifen ist immer das letzte Mittel“, so Mayr-Harting.

Ob aber „Ruanda“ nie wieder passiert, hängt vor allem von einem ab: vom Willen der Staaten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2009)

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