Brexit bringt auch Labour-Chef Corbyn ins Wanken

Jeremy Corbyn hat sich aus der Brexit-Debatte eher zurückgehalten - das sorgt für innerparteiliche Kritik.
Jeremy Corbyn hat sich aus der Brexit-Debatte eher zurückgehalten - das sorgt für innerparteiliche Kritik.REUTERS
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Weitere Politiker verlassen aus Protest gegen halbherzige Kampagne Team um Oppositionsführer Corbyn - Umfrage: Mehrheit der Schotten für Unabhängigkeit

Labour war in der Brexit-Debatte außergewöhnlich still. Die britische Arbeiterpartei positionierte wenig enthusiastisch für einen Verbleig des Vereinigten Königreichs in der EU. Parteichef Jeremy Corbyn muss deshalb einiges an Kritik einstecken. Am Montag folgte eine weitere Welle von Rücktritten unter den Abgeordneten der oppositionellen Labour-Partei. Mindestens fünf Politiker kamen zu den elf Mitgliedern des Schattenkabinetts von Parteichef Jeremy Corbyn hinzu, die bereits am Sonntag aus Protest ihren Rücktritt erklärt hatten.

Viele Vertreter des rechten Flügels warfen dem Labour-Chef vor, nur halbherzig für den Verbleib geworben und damit viele Wähler aus dem eigenen Lager nicht überzeugt zu haben. Zwei Labour-Abgeordnete legten einen Misstrauensantrag gegen Corbyn vor. Dieser dürfte eine Fraktionssitzung von Labour am Montag dominieren.

Rücktritt ausgeschlossen

Trotz der Kritik hat Corbyn einen Rücktritt ausgeschlossen. Er war erst im September 2015 zum Nachfolger von Ed Miliband als Labour-Chef gewählt worden. Er bedauere, dass mehrere Mitglieder seines Schattenkabinetts zurückgetreten seien, erklärte der Oppositionsführer in der Nacht auf Montag. Er werde jedoch "nicht das Vertrauen derjenigen enttäuschen, die mich gewählt haben". Wer die Parteiführung ändern wolle, müsse sich darum in einer demokratischen Wahl bewerben - "bei der ich kandidieren werde", betonte Corbyn.

Er hatte in der Nacht auf Sonntag seinen Schatten-Außenminister Hilary Benn entlassen, nachdem dieser seine Parteiführung heftig kritisiert hatte. Daraufhin erklärten elf weitere Mitglieder des Schattenkabinetts ihren Rücktritt.

"Ich glaube nicht, dass Labour unter Ihrer Führung in einer Verfassung gut genug ist - oder je sein wird - um sich bei einer Wahl der Bevölkerung zu stellen und sie zu bitten, ihr als Regierung zu dienen", erklärte die Abgeordnete Anna Turley in ihrer Rücktrittserklärung auf Twitter an Corbyn gerichtet. Die Rücktritte betreffen nicht die Parlamentsmandate, sondern lediglich die Funktionen im Team um Corbyn. Dieser war erst im Vorjahr in einer Urabstimmung zum Parteichef gewählt worden. Er war mit einem prononciert linken Programm angetreten.

Corbyn hat bereits auf einige der Rücktritte reagiert und Nachbesetzungen vorgenommen. Aufgerückt etwa in den Bereichen Außen- und Verteidigungspolitik sind klare Unterstützer des Oppositionsführers aus dem linken Flügel von Labour.

Schottland legt nach

Unterdessen spricht sich eine Mehrheit der Schotten nach dem Brexit-Votum für eine Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien aus. 54 Prozent der Schotten würden in einem zweiten Unabhängigkeitsreferendum mit Ja stimmen, ergab eine von der Zeitung "Daily Record" veröffentlichte Umfrage. Demnach sind nur 46 Prozent für einen Verbleib Schottlands beim scheidenden EU-Mitglied Großbritannien.

Die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon hatte am Sonntag ein neues Unabhängigkeitsreferendum angekündigt, "um die Interessen der Schotten zu schützen". Schottland lasse sich nicht aus der EU drängen. Das Vereinigte Königreich, für das Schottland im September 2014 in einem Referendum gestimmt habe, "existiert nicht mehr", argumentierte die Regierungschefin mit Blick auf das Brexit-Votum. Beim Unabhängigkeitsreferendum hatten sich 55 Prozent der Schotten für den Verbleib im Vereinigten Königreich ausgesprochen. Eines der wirksamsten Argumente der Unabhängigkeitsgegner war, dass die Unabhängigkeit auch einen Verlust der EU-Mitgliedschaft mit sich brächte.

Bei dem Brexit-Referendum hatten am Donnerstag knapp 52 Prozent der Briten für einen Ausstieg aus der Europäischen Union gestimmt. Dabei sprachen sich die Wähler in Schottland allerdings mit 62 Prozent klar für einen Verbleib des Königreichs in der EU aus.

(APA/Reuters/AFP)

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