Das al-Qaida-Netzwerk ist so stark wie nie zuvor

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Die von Osama bin Laden gegründete Terrorgruppe mit Sitz in Afghanistan breitet sich rasant in Nahost aus, dort setzt sie auf Allianzen mit lokalen Gruppen. Die Konkurrenz des Islamischen Staates schadet ihr nicht.

Kairo. Im Jahr 2011, zehn Jahre nach dem 11. September, strotzte die US-Regierung vor Optimismus. „Wir sind nahe dran, al-Qaida zu besiegen“, brüstete sich Pentagon-Chef Leon Panetta. In Nahost blühte damals der Arabische Frühling. Die Uhr der Jihadisten schien abgelaufen, ihre hasserfüllte, islamistische Ideologie ein Auslaufmodell.

Doch diese Prognosen erwiesen sich als falsch. Heute versinkt die arabische Region in Chaos, Krieg, Diktatur – al-Qaida ist stärker als je zuvor. Selbst die neue Konkurrenz vom Islamischen Staat, die mit ihrer Brutalität und ihren blitzartigen Offensiven seit Mitte 2014 die globale Aufmerksamkeit auf sich zog, schadet den Gotteskriegern und ihrer afghanischen Zentrale nicht.

Der globale IS-Medienhype

Unbeirrt befestigten sie im Windschatten des IS-Medienhypes in Syrien und im Jemen ihre Macht, umwarben Verbündete und brachten zahlreiche Gebiete unter ihre Kontrolle. Im Umgang mit der Bevölkerung erließ die al-Qaida-Führung unter Bin-Laden-Nachfolger Ayman al-Zawahiri „neue Jihad-Richtlinien“. Gewalt gegen Minderheiten und nicht-sunnitische Muslime sollten vermieden werden, es könne eine „Revolte der Massen“ auslösen. Man solle keine Frauen und Kinder töten, Attentate auf Märkte und Moscheen stoppen sowie mit anderen islamistischen Gruppen kooperieren, „selbst solche, mit denen al-Qaida ideologische Differenzen hat“. Neue Gruppen in Tunesien, Libyen und Syrien gaben sich mit Ansar al-Sharia oder Jabhat al-Nusra sogar neue Namen, um ihre al-Qaida-Bindung zu verschleiern.

Vor allem im Jemen, aber auch in Pakistan, sind die USA den Jihadisten mit ihren Drohnen nach wie vor hart auf den Fersen. Im Juni 2015 wurde Jemens al-Qaida-Chef Nasser al-Wuhayshi von einer Rakete getötet, der größte Verlust für das Terrornetzwerk seit dem Tod Bin Ladens. Die Zahl der unbemannten Luftschläge im Süden der Arabischen Halbinsel blieb in den vergangenen vier Jahren trotz des Bürgerkrieges mit 22 bis 24 konstant hoch. In Pakistan lag sie 2013 und 2014 ca. gleichauf, in den vergangenen beiden Jahren sanken sie etwas.

Washington sieht also keinen Grund zur Entwarnung: al-Qaida sei heute stärker dezentralisiert, aber nicht minder virulent. Die Gefahr gehe nicht mehr von der Führungsspitze aus, sondern von lokalen Filialen, Verbündeten und Gleichgesinnten, so Barack Obama. Charles Lister vom Middle East Institute in Washington nennt al-Qaida das langlebigste Jihadisten-Projekt überhaupt. Die al-Qaida-Idee werde „noch über viele Jahre eine enorme Bedrohung bleiben“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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