Nach blutiger Attacke im Jemen gehen USA auf Distanz zu Saudis

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Beim Bombardement einer Trauerfeier in Sanaa sterben mindestens 140 Menschen. Verantwortlich scheint Saudiarabien.

Kairo/Sanaa. Es war der tödlichste Luftangriff, den der Jemen seit Beginn des Krieges im März 2015 erlebt hat. In mehreren Angriffswellen wurde eine Halle voller Trauender nach einer Begräbnisfeier mitten in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa in Schutt und Asche gelegt. Laut dem UN-Koordinator für den Jemen, Jamie McGoldrick, kamen dabei mindestens 140 Menschen ums Leben, weitere 525 wurden laut Angaben des Gesundheitsministeriums in Sanaa verletzt. Die Zerstörung war so gewaltig, dass es offensichtlich schwer ist, die genaue Zahl der Opfer festzustellen, von denen viele so verkohlt sind, dass sie kaum zu identifizieren sind.

Eine von Saudiarabien angeführte Koalition fliegt im Jemen regelmäßig Luftangriffe, vorwiegend gegen Stellungen der Houthi-Rebellen, die die Hauptstadt kontrollieren, nachdem sie die ehemalige jemenitische Regierung des Präsidenten, Abd Rabbo Mansur Hadi, von dort vertrieben haben. Bei den Luftangriffen werden aber auch immer wieder zivile Ziele, etwa Krankenhäuser, zerstört. Auch Hochzeitsfeiern und Märkte waren bereits Ziele von Luftangriffen.

Mit mehreren gezielten aufeinanderfolgenden Angriffen auf die Trauerhalle handelt es sich kaum um einen sogenannten Kollateralschaden. Dagegen spricht auch, dass es sich bei dem betrauerten Toten um den Vater des von den Houthis ernannten Innenminister, Galal al-Rawishan, handelte und damit ein Teil der politischen Führung der Houthis anwesend war. Rawishan selbst soll überlebt haben, aber der Bürgermeister Sanaas soll unter den Toten sein.

Saudis bestreiten Luftschlag

Nachdem der Sprecher der saudischen Koalition, Brigadegeneral Ahmad al-Asiri, zunächst erklärt hatte, dass es sich möglicherweise nicht um einen Luftangriff gehandelt hatte, mussten die Saudis diese Aussage zurückziehen, nachdem auf den sozialen Medien ins Netz gestellte Videos ziemlich deutlich zeigen, dass es sich um eine Angriff aus der Luft gehandelt hatte. Daraufhin änderte Saudiarabien die Linie und erklärte, dass die saudische Koalition keine Angriffe in der Nähe der Trauerhalle zum besagten Zeitpunkt geflogen habe. Dann hieß es schließlich von saudischer Seite, man wolle den Fall zusammen mit US-Experten untersuchen.

Doch gerade die USA, die die saudische Koalition indirekt durch Aufklärungshilfe unterstützen, während der Großteil der saudischen Waffen aus amerikanischer Herstellung stammt, ließ wenig Zweifel daran, dass die Saudis hinter dem Angriff stecken. Die USA scheinen sich von ihren saudischen Verbündeten wegen des Jemen-Kriegs immer mehr zu distanzieren. Man wollte die ohnehin bereits zurückgeschraubte Unterstützung für die saudische Koalition einer weiteren Überprüfung unterziehen, hieß es in Washington. Die US-Sicherheitszusammenarbeit mit dem sunnitischen Königreich sei „kein Blankoscheck“ und die Berichterstattung über den Vorfall „zutiefst verstörend“, hieß es in einer Stellungnahme des Nationalen Sicherheitsrats. Auch wenn die USA Saudiarabien bei der Verteidigung des eigenen Staatsgebiets unterstützen, „müssen und werden wir weiterhin unsere ernsten Bedenken zum Ausdruck bringen über den Konflikt im Jemen und darüber, mit welchen Mitteln er geführt wird“, erklärte dessen Sprecher, Ned Price.

Ban fordert Untersuchung

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte, dass jeder vorsätzliche Angriff auf Zivilisten „absolut inakzeptabel“ sei und forderte eine „schnelle und unabhängige Untersuchung“ über den Vorfall, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Deutschlands Außenminister, Walter Steinmeie,r zeigte sich „entsetzt über den Angriff“ und über „die militärische Eskalation der vergangenen Wochen und insbesondere die hohe Zahl ziviler Opfer in diesem Konflikt“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2016)

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