Am Sonntag stimmt Italien über eine Verfassungsreform ab. Gegner sehen ein Ende von Regierungschef Matteo Renzi bereits nah.
Der Countdown für das Referendum läuft und Italien scheint auf einen "Rexit", wie das Ende der Ära von Premier Matteo Renzi bereits betitelt wird, zuzusteuern. Die Gegner der Verfassungsreform - eine heterogene Front aus Nostalgikern der traditionellen Linken, Populisten und Rechtsparteien - wittern die einmalige Chance, mit der Volksabstimmung Renzi aus dem Amt zu drängen.
Die letzte entscheidende Woche des seit Monaten laufenden Wahlkampfs hat begonnen und die Töne werden immer schriller. Der Anführer der Protestpartei Fünf-Sterne-Bewegung, Beppe Grillo, hatte Renzi zuletzt als "verwundete Wildsau" bezeichnet, die in Panik wegen der bevorstehenden Niederlage jeden um sich angreife. Die Befürworter der Verfassungsreform seien "Serienkiller" von Italiens Kindern, die ihrer Zukunft beraubt würden. Renzi bezeichnete seinerseits seine Gegner als "Sammelsurium", die nichts gemeinsam hätten, außer den festen Willen, ihn zu stürzen und Italien zum ewigen Stillstand zu verurteilen.
Renzi versucht, trotz negativer Umfragewerte seinen Optimismus zu bewahren, doch seine Slogans klingen immer leerer. Der strahlende Jungpolitiker, der vor fast drei Jahren als "Retter der Nation" das Ruder des Landes übernommen hatte und die Verschrottung einer machtversessenen Politiker-Kaste versprochen hatte, droht nun selbst verschrottet zu werden. Das Schreckgespenst des politischen Chaos taucht in Rom nach einigen Jahren relativer Stabilität wieder auf.
Anhänger zweifeln an Renzi-Sieg
Wie ein Mantra ruft Renzi seine Anhänger auf, einen Wahlkampf "Haus um Haus" zu führen, um die unentschlossenen Italiener - rund ein Viertel der Wählerschaft - für das "Ja" zu seiner Reform zu gewinnen. "Wir stehen vor der historischen Chance, Italien zu modernisieren, wird dürfen diese Chance nicht versäumen", sagt Renzi. Doch die Wählerschaft scheint seiner Vision einer effizienteren und schlankeren Politik dank der Abschaffung des Systems aus zwei gleichberechtigten Parlamentskammern nicht wirklich zu glauben.
Zum ersten Mal sprechen Renzis Minister bereits offen über mögliche Szenarien im Fall eines "Nein"-Siegs". Der Premier hatte zuletzt wiederholt zu verstehen gegeben, dass er bei einer Niederlage beim Referendum seinen Rücktritt einreichen würde. "Wenn das 'Nein' gewinnt, muss Renzi dem Staatschef das Regierungsmandat zurückgeben. Danach wird Präsident Sergio Mattarella einen Beschluss fassen", betonte Verkehrsminister Graziano Delrio, ein enger Vertrauter Renzis.
Farbloser Mattarella würde Renzi nachfolgen
Sollte das "Nein" gewinnen, rückt der zurückhaltende und farblos wirkende Staatschef Sergio Mattarella zum Hauptakteur der politischen Bühne auf. Bei einem Rücktritt Renzis könnte Mattarella eine Übergangsregierung einsetzen, die bis zu den für 2018 vorgesehenen Parlamentswahlen halten soll. Als Kandidaten sind Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan, Kulturminister Dario Franceschini oder Senatspräsident Pietro Grasso im Gespräch.
Tritt Renzi im Falle einer Niederlage bei dem Referendum nicht zurück, verliert er nicht nur bei der Wählerschaft sondern auch in seiner eigenen Demokratischen Partei (PD) weiter an Glaubwürdigkeit. Das Regieren könnte für Renzi noch schwieriger werden, da er mit seinem Hauptanliegen, der Verfassungsreform, gescheitert ist. Die Hürden bis zum Ende der Legislaturperiode 2018 würden für ihn immer höher werden.
(Schluss) mit/jeg/syl
(APA)