EU-Register funktioniert nicht: Heimlicher Einfluss auf Gesetze

Freiwilliges Verzeichnis der Kommission ist unbeliebt. Lobbyisten agieren in Brüssel vor allem im Wettbewerbsbereich.

BRÜSSEL. In Brüssel und Straßburg sind gleich mehrere Tausend Lobbyisten und Interessenvertreter am Werk. Ihre Mission ist klar: Sie wollen die Entscheidungen der EU-Behörden, ganz besonders die Gesetzesvorhaben, in ihrem Sinne beeinflussen. Als Kern ihres Interesses gelten Entscheidungen in sensiblen Bereichen wie dem Wettbewerb oder dem Konsumentenschutz.

Wie viele Lobbyisten in den EU-Metropolen schalten und walten, darüber gibt es keine zuverlässigen Informationen. Denn ein großes Vorhaben der EU-Kommission, der obersten Verwaltungsbehörde Europas, hat nur mäßigen Erfolg gebracht. Seit zwei Jahren gibt es das freiwillige Lobbyisten-Register der Behörde, und die meisten Organisationen und Agenturen haben die Freiwilligkeit offenbar wörtlich genommen: Stimmen die Schätzungen der Transparenz-Initiative „Alter-EU“, dann verzichten bis dato rund 60 Prozent der Lobbyisten in Brüssel und Straßburg darauf, sich in das Register einzutragen.

Statt anzugeben, wie viele Mitarbeiter für sie in der EU zu welchen Themen arbeiten, werken sie lieber im Hintergrund in den Machtzentren Europas. Bis Freitagnachmittag waren es nur 2726 vor allem kleinere Einrichtungen, die sich in das Register eingetragen haben. Zu den Positivbeispielen aus Österreich zählt auch der Verband Österreichischer Zeitungen.

Als Negativbeispiele gelten internationale Konzerne, die sich bei ihren Machtspielen schlichtweg nicht in die Karten schauen lassen wollen. In Verruf geraten ist kürzlich der US-Sportartikelhersteller Nike, der einen Eintrag standhaft verweigert. Und das, nachdem bekannt geworden ist, dass er zwei Anti-Dumping-Experten der Kommission zum Eröffnungsspiel der Rugby-Weltmeisterschaft 2007 nahe Paris eingeladen hat – nur ein Jahr, nachdem die Kommission ein Anti-Dumping-Verfahren gegen Nike gestartet hatte. Alles rechtens, meinte die Kommission zur späteren Einladung: Es seien „nur“ 70 Euro pro Person für die An- und die Rückreise in der Limousine angefallen, und die VIP-Tickets beim Spiel seien Teil eines Sponsoring-Pakets gewesen.

Geschenke bis 250 Euro

Wie teuer „zu teuer“ ist in der EU-Kommission, der Gestalterin und Hüterin des EU-Rechts, ist bis heute ungeklärt. Seit 2008 arbeitet sie an Regeln dazu, diese lassen aber weiter auf sich warten. Als Richtwert gelten derzeit dem Vernehmen nach 250 Euro: Geschenke oder Einladungen, die diesen Wert überschreiten, sollten oder müssten abgelehnt werden, heißt es.

Wie viel Geld von Lobbyisten an die insgesamt knapp 50.000 Bediensteten bei Kommission, EU-Parlament und EU-Rat der Länder fließt, ist weiterhin unbekannt.

Das EU-Parlament erhöht jetzt den Druck, dass bald ein gemeinsames Lobbyisten-Register von Parlament und Kommission entsteht. „Und da wäre Freiwilligkeit nicht der Weisheit letzter Schluss“, sagt SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried. Für den FPÖ-Abgeordneten Andreas Mölzer ist die Freiwilligkeit nichts als „Augenauswischerei“. Ob und wann ein neues Register kommt, ist allerdings offen. Das aktuelle Verzeichnis:

https://webgate.ec.europa.eu/

transparency/regrin/welcome.do

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2010)

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