Vom Gefängnis auf die Regierungsbank

Tunesiens bekanntester Blogger, Slim Amamou, wird Staatssekretär im Ministerium für Jugend und Sport. Manche Fans sind enttäuscht: auf Blogs wird er bereits aufgefordert, den neuen Job nicht anzutreten.

Tunis. Die Internetplattformen Facebook und Twitter waren der Motor der tunesischen Jasmin-Revolution. Und so ist es nur gerecht, dass der bekannteste Blogger des Landes einen Job in der Regierung erhielt: Slim Amamou ist seit Anfang der Woche Staatssekretär im Ministerium für Jugend und Sport. Der 33-Jährige war erst vergangenen Donnerstag aus dem Gefängnis entlassen worden.

Man hatte ihn eine Woche zuvor wegen mutmaßlicher Zugehörigkeit zur Hackergruppe Anonymous festgenommen. Diese hatte die Websites sämtlicher Ministerien, der Nationalbank und der Börse lahmgelegt, um gegen die Pressezensur zu demonstrieren.

Twitter-Unterricht für Minister

Amamou sagte im Interview mit dem französischen Sender TF1, das Amt sei ihm erst eine halbe Stunde vor der Präsentation der neuen Regierung angetragen worden. Bislang kennt die Bloggerszene ihren Star als Mann mit Dreitagebart, Designerbrille und Pfeife im Mund. Sein Outfit wird sich ändern: Er sei bereit, eine Krawatte zu tragen, aber nie und nimmer, auf die totale Freiheit zu verzichten, sagte der frisch gebackene Staatssekretär. Auf Blogs wird er bereits aufgefordert, den neuen Job nicht anzutreten. Im Übrigen scheint ihn die Bürde des Amtes nicht sonderlich zu plagen: „Ich werde erst mal den andern Ministern beibringen, wie man twittert“, twitterte er gestern vergnügt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2011)

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