Der Vorsitzende des Militärrats, Feldmarschall Tantawi (75), steht für Kontinuität. Die USA schätzen ihn als nicht besonders reformfreudig ein.
[Kairo] Mit der Übernahme der Macht durch einen Militärrat haben sich in Ägypten mit einem Schlag die Vorzeichen komplett geändert: Hatte das Regime bisher versucht, einen Reformprozess entlang der autoritären Verfassung zu steuern, wurde mit diesem Schritt die verfassungsmäßige Ordnung schlicht aufgehoben.
Wie der Sender al-Arabiya berichtete, will der Militärrat, dem zusätzlich der Chef des Verfassungsgerichts angehören soll, die Regierung entlassen und die beiden Häuser des Parlaments suspendieren. In einer ersten Erklärung dieses Gremiums hieß es vorerst nur nebulos, man wolle den Willen des Volkes erfüllen. Und der Rat verbeugte sich verbal vor dem zurückgetretenen Präsidenten Hosni Mubarak und vor den Menschen, die bei den Massenprotesten getötet wurden: Sie hätten ihr Leben für die Freiheit Ägyptens hingegeben.
Was das alles für die von den Demonstranten so vehement geforderte Demokratisierung bedeutet, war zunächst völlig unklar.
Eines ist aber auf jeden Fall klar: Feldmarschall Mohamed Hussein Tantawi (75) der an der Spitze dieses Militärrats steht, ist ein langjähriger Mitstreiter Hosni Mubaraks. Bereits seit 1991 diente er dem nun abgetretenen Präsidenten als Verteidigungsminister. Als der in die Enge getriebene Mubarak nach den ersten Tagen der Massenproteste die Regierung umbildete, scharte er seine Getreuen um sich. Dabei rückte auch Tantawi nach oben, er wurde Vizepremier.
Doch konnte sich Mubarak da tatsächlich noch auf ihn verlassen? Am 11. Tag der Proteste erschien der Feldmarschall überraschend auf dem Tahrir-Platz bei den Demonstranten: Er versuchte sie zwar zu überzeugen, sich mit Mubaraks bisherigen Zugeständnissen zufrieden zu geben. Aber alleine, dass er zu ihnen sprach und sie und ihre Anliegen ernst nahm, war eine starke Geste.
Schon bisher verkappte Militärdiktaturs
Kontinuität wird mit Tantawi auch im Verhältnis zu den USA herrschen: Alleine in den vergangenen Tagen soll er zumindest fünf Mal mit seinem US-Kollegen Robert Gates telefoniert haben, der erst kürzlich die „hohe Professionalität“ der ägyptischen Armee öffentlich gelobt hatte. Es gibt in den USA aber auch kritische Töne gegenüber Ägyptens neuem starken Mann: Er sei zwar dem Frieden mit Israel verpflichtet, Reformen aber eher „abgeneigt“.
Schon bisher war Ägypten eine verkappte Militärdiktatur, alle Präsidenten seit dem Sturz der Monarchie kamen aus dem Militär. Für diese Institution steht viel auf dem Spiel, nicht zuletzt auch im wirtschaftlichen Bereich: Ihre Interessenlage ist also klar: Wenn schon ein Wandel, dann unter unserer Kontrolle.
Vor diesem Hintergrund wird es interessant sein, wie es mit den Verfassungsreformen weitergeht, die Mubarak noch in seiner Rede vom Donnerstag angekündigt hatte und die zahlreiche Punkte betrafen, die den Demonstranten am Herzen lagen: etwa die Abschaffung der kaum überspringbaren Hürden für eine Präsidentschaftskandidatur oder die Möglichkeit, Zivilisten vor Militärgerichte zu stellen. Ein erster Lackmustest wird sein, wie ernst es dem Militärrat mit der Aufhebung des Ausnahmezustandes ist.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12. 2. 2011)