Fünf Schlüsselfiguren der historischen Umwälzungen

Fuenf Schluesselfiguren historischen Umwaelzungen
Fuenf Schluesselfiguren historischen Umwaelzungen(c) AP (Akira Suemori)
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Soldat, Arzt, Manager und Diplomaten als Zentralfigurendes Zeitenwechsels.

Feldmarschall und "Pudel Mubaraks"

Mohammed Hussein Tantawi (*1935) lenkt als Feldmarschall, Verteidigungsminister, Chef des Obersten Rates der Streitkräfte und De-facto-Interimspremier seit Freitag die Geschicke Ägyptens. Der Offizier nubischer Herkunft war stets ein Gefolgsmann des gestürzten Präsidenten Mubarak. Nach der Offiziersausbildung war er Militärattaché in Pakistan, später Kommandeur der Präsidentengarde. In den Kriegen mit Israel 1956, 1967 und 1973 war er Infanterieoffizier. Mit ihm im Streitkräfterat sitzen auch die Chefs von Luftwaffe und Flotte. Dieses Gremium trat bis vorige Woche nur zweimal im ägyptischen Fernsehen auf, nämlich während der Kriege von 1967 und 1973.

Freilich sind die Streitkräfte, die sich als Rückgrat des Landes stets diskret und verschwiegen geben, kein monolithischer Block; speziell unter den Offizieren der mittleren Ränge gärt es seit Langem massiv. „Mubaraks Pudel“ nennen sie dort Tantawi, wie ein WikiLeaks-Protokoll aus dem Jahr 2008 berichtet. Tantawi sei inkompetent, in der Truppe herrsche eine „Kultur des Kadavergehorsams“, und die Armee befinde sich unter seiner Führung im Niedergang.

Tierarzt und Chef der Moslembrüder

„Sagt dem Mursched, er soll sich mit uns zusammensetzen“, rief Verteidigungsminister Tantawi der Menge zu, als er sich als erstes Mitglied der Regierung auf dem Tahrir-Platz zeigte. Gemeint war Mohammed Badie (67), Chef der Moslembruderschaft. Nach 48 Stunden meldete sich der Tierarzt und Hochschullehrer, und die Moslembruderschaft schickte bald darauf erstmals in fünf Jahrzehnten eine Delegation zu offiziellen Gesprächen mit der Staatsmacht – die allerdings wenig substanziell waren.

Seit Jänner 2010 führt Badie die Moslembrüder, als siebenter Generalsekretär der 1928 in Ägypten gegründeten Organisation. Geboren in Mahalla al-Kubra im Nildelta, gehörte der Ideologe seit 1996 dem Zentralrat an. Als junger Mann von einem Militärtribunal zu 15 Jahren Haft verurteilt, wurde er 1974 von Präsident Anwar as-Sadat begnadigt. Die Moslembruderschaft ist die bestorganisierte islamistische Gruppe im Land, obwohl seit 1954 verboten. Sie ist wie eine Geheimloge organisiert und betreibt Nachbarschafts- und Sozialdienste sowie Kliniken, allein in Kairo sind es sieben Hospitäler. Wichtige Berufsverbände wie die der Anwälte und Ärzte sind von ihnen dominiert.

Unter den Demonstranten waren aber nur wenige den Koran schwingende Bärtige, die „Islam ist die Lösung“ skandierten. Auch gaben die Chefs die Losung aus, jetzt nicht über eine Islamische Nil-Republik zu spekulieren, um niemanden zu alarmieren. „Wir wollen die Macht nicht monopolisieren“, ließ Badie verkünden. Auch wolle man bei der nächsten Präsidentenwahl keinen Kandidaten aufstellen. Aber: „Wir wollen ein Klima von fairem Wettbewerb, das uns erlaubt, regulär um politische Macht zu kämpfen.“

Internet-Ikone ohne Lust auf Politik

„Glückwunsch, Ägypten – der Gangster hat seinen Palast verlassen“, twitterte Wael Ghonim (30) am Freitag an seine Fans. Eher durch Zufall war der Marketingchef von Google in Dubai zur Zentralfigur des Cyber-Aufstands geworden. „Wir sind alle Khaled Said“ nannte sich die Facebook-Seite, die er im Sommer online stellte – aus Protest gegen den Tod des gleichnamigen Bloggers in Alexandria, den zwei Zivilpolizisten totgeprügelt hatten. Bald hatte die Seite über 200.000 Mitglieder, jetzt eine halbe Million. Nach dem Umsturz in Tunesien erschien hier der erste Aufruf zum „Tag des Zorns“ am 25. Jänner, mit dem die Revolution in Ägypten ins Rollen kam.

Erst am Montag vor dem Sturz Mubaraks war Ghonim in Kairo aus den Fängen der Staatssicherheit aufgetaucht, die ihn zwölf Tage lang verhört hatte. In der populären „Al-Ashera Massan“-Talkshow auf dem Privatsender „Dream 2“ gab er ein Interview, das Millionen Ägypter mitverfolgten, die Demonstranten beflügelte und den Hunderttausenden jungen Aktivisten ein Gesicht gab. „Ich bin kein Held, ich habe nur meine Tastatur benutzt“, gab sich Wael Ghonim dabei bescheiden. Für die ägyptischen Cyber-Aktivisten jedoch ist Ghonim ein Vorbild. Eine neue Facebook-Seite, die ihn als Sprecher der Jugend auf dem Tahrir-Platz autorisiert, hatte binnen 24 Stunden 250.000 Fans. Politische Ambitionen habe er nicht, meint indes der Vater zweier Kinder, der mit einer Amerikanerin verheiratet ist. „Ich verspreche, ich werde wieder in mein normales Alltagsleben zurückkehren.“

Emir der Araber-Liga for President

„Warum nicht, das ist meine Heimat“, antwortete Amr Musa, (74), Generalsekretär der Arabischen Liga und Ex-Außenminister Ägyptens, auf die Frage, ob er nun Präsident werden wolle. Der Jurist ist beim Volk beliebt, kein Tribun, aber die Leute mögen seine direkte Sprache und scharfe Rhetorik gegenüber Israel. „Die arabische Seele ist gebrochen durch Armut, Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsmisere”, schrieb er nach dem Aufstand in Tunesien Arabiens Potentaten ins Stammbuch und sprach von „beispielloser Frustration in der Region“.

Seit zehn Jahren leitet er die Staatenorganisation, die meist durch Streit und Ineffizienz auffällt. Stunden nach Mubaraks Sturz kündigte er an, seinen Posten bald zu räumen. „Wir wollen dich als Präsidenten“, begrüßte die Menge seine Wagenkolonne, als er vor einer Woche auf dem Tahrir-Platz auftauchte. Auf Facebook hat sich eine Gruppe „Amr Musa für das Präsidentenamt“ gebildet. Offenbar stört es die jungen Blogger nicht, dass der 74-Jährige nicht mehr unbedingt zur „Generation Facebook“ gehört.

Der nicht ganz willkommene Friedensengel

„Das ist der schönste Tag meines Lebens“, jubelte der Friedensnobelpreisträger am Abend der Revolution im TV. Vor zwei Wochen war Mohamed ElBaradei (68), aus Wien kommend, in Kairo eingetroffen. Am nächsten Tag, dem ersten Freitag der Proteste, hockte er pudelnass und mit von Tränengas geröteten Augen in einer Moschee. Einmal noch erschien der Diplomat auf dem Tahrir-Platz. „Habt Geduld, der Wandel wird in den nächsten Tagen kommen”, rief er zur Menge. Nun wird der Ex-Chef der in Wien ansässigen Atomenergiebehörde IAEA (1997–2009) als Moderator des Neuanfangs gehandelt. So streuten Mitarbeiter, er arbeite an einer neuen Verfassung. Er sei gebildet, international respektiert und halte sein Wort.

Doch nicht alle Demonstranten denken so. Es häufen sich negative Kommentare über den Spitzendiplomaten. „Baradei, wer hat dich gerufen“, riefen einige schon bei dessen erster Visite am Tahrir. Jetzt schimpfen sie, er habe sie im Kampf gegen die Schläger Mubaraks im Stich gelassen. „Wir haben die Revolution gemacht, nicht Baradei“, sagen sie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2011)

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