Maher al-Assad: Der Henker des syrischen Regimes

(c) AP (Bassem Tellawi)
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Maher al-Assad, der jüngere Bruder des syrischen Präsidenten Bashir al-Assad, versucht mit skrupelloser Gewalt das Baath-Regime zu retten. Seine Truppen nahmen jetzt die Rebellenhochburg Jisr al-Shughour ein.

Kairo/Damaskus. Menschen flüchten zu Tausenden über die Grenze, immer mehr Wehrpflichtige desertieren, Eliteeinheiten und Staatssicherheit wüten in den Städten – drei Monate dauert nun schon der Kampf zwischen dem syrischen Diktator und seinem Volk. Politische Zugeständnisse von Präsident Bashir al-Assad haben die Lage nicht beruhigt, nach 1300Toten und Massenfolter scheint die Zeit für Kompromisse vorbei. Und so kämpft das Baath-Regime inzwischen nur noch mit purer Gewalt ums Überleben – organisiert von dem jüngeren Präsidentenbruder Maher al-Assad.

Der 43-jährige General hat keine Skrupel. Er befehligt das zentrale Machtinstrument des Regimes, die Elitetruppen der Vierten Division der syrischen Armee sowie die Republikanischen Garden. Deren Soldaten bestehen überwiegend aus Angehörigen der alawitischen Minderheit, zu der auch die Assad-Familie gehört. Am Wochenende stürmten sie mit 150 Panzern, Kampfhubschraubern und Artillerie die 50.000-Einwohner-Stadt Jisr al-Shughour, eine Hochburg der Aufständischen.

Massenflucht in die Türkei

Nach Berichten von Augenzeugen zogen Soldaten durch die Straßen und feuerten wild um sich. In der Lesart des Regimes, am Montag verbreitet von der staatlichen Nachrichtenagentur Sana, heißt es dagegen: „Armeeeinheiten haben die Region von bewaffneten Banden gesäubert, die die Bewohner terrorisierten, öffentliches und privates Eigentum angriffen und Chaos über die Stadt brachten.“

Das Militär startete die Offensive, nachdem in Jisr al-Shughour 120Soldaten getötet worden waren. Einwohnern zufolge kam es allerdings auch zu einer Meuterei unter den Truppen, weil einige Soldaten nicht auf Regierungsgegner schießen wollten.

Was genau geschieht, lässt sich nicht sagen, ausländische Journalisten dürfen seit Mitte März nicht mehr ins Land. Rund 7000Männer, Frauen und Kinder haben sich derweil über die Grenze in die Türkei in Sicherheit gebracht. Ankara bereitet Zeltstädte für weitere 10.000Flüchtlinge vor.

Im Vormonat hatten die gefürchteten Eliteeinheiten bereits in ähnlicher Manier die Bewohner in Daraa an der Grenze zu Jordanien sowie in Homs in Zentralsyrien belagert und beschossen, um ein Exempel zu statuieren.

Machtlust und Brutalität

Ihr Kommandant Maher al-Assad kennt kein Erbarmen. Im Internet ist ein aufsehenerregendes Video zu sehen, das offenbar den Präsidentenbruder zeigt, wie er in einem Vorort von Damaskus – umgeben von Elitesoldaten – eigenhändig auf Demonstranten schießt. In seiner Heimat kursieren zahllose Geschichten über seine Machtlust und Brutalität.

Von klein auf galt Maher al-Assad als hitzköpfig und unberechenbar. Dem Ehemann seiner älteren Schwester schoss er 1999 bei einem Familienstreit in den Bauch. 2008 befehligte der gelernte Ingenieur die Niederschlagung einer Revolte im Gefängnis von Saidnaya nahe Damaskus. Eine Fotosequenz zeigt ihn, wie er durch die Trümmer schreitet und mit seinem Mobiltelefon Aufnahmen der verstümmelten Körper politischer Häftlinge macht. Seine Landsleute jedenfalls trauen ihm alles zu – und das zu recht.

So veröffentlichte Human Rights Watch kürzlich unter dem Titel „Wir haben noch nie einen solchen Horror gesehen“ Augenzeugenberichte über willkürliche Hinrichtungen und Folter während der jüngsten Volksproteste sowie Berichte über das spurlose Verschwinden von Verhafteten, darunter zahlreichen Kindern. Desertierte Soldaten gaben an, sie hätten den Befehl gehabt, Demonstranten gezielt zu töten.

Die „New York Times“ zitiert mehrere Syrer, die Maher al-Assad persönlich kennen und ihn als hochintelligent, gut organisiert und grausam beschreiben – und als jemanden, der Armee und Staatssicherheit nach seinen Vorstellungen geformt hat. „Maher, wie soll ich mich ausdrücken, liebt das Blut“, sagte ein früherer syrischer Diplomat, der heute in Virginia im Exil lebt, der amerikanischen Zeitung. „In dem Moment, als ich das Video gesehen hab, habe ich sofort gesagt – das ist Maher.“

Zur Person

Maher al-Assad ist ein Bruder von Syriens Machthaber Bashir al-Assad. Der 43- jährige General leitet die Elitetruppen der syrischen Armee sowie die Republikanischen Garden. Mit Brutalität und seinen strategischen Fähigkeiten versucht er derzeit das Regime zu retten. [internet]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2011)

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