Berliner Mauer: "Die Freiheit ist unbesiegbar"

Jahre Mauerbau Nostalgie erschreckend
Jahre Mauerbau Nostalgie erschreckend(c) AP (Markus Schreiber)
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Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff mahnt zum weltweiten Einsatz für Freiheit und Demokratie. Bürgermeister Wowereit bezeichnete den Mauerbau als traurigsten Tag der jüngsten Geschichte Berlins.

Mit einer Schweigeminute zu Mittag haben die Gedenkfeierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Mauerbaus ihren Höhepunkt erreicht. Vielerorts wehten am Samstag Flaggen auf Halbmast. In Berlin läuteten Kirchenglocken, Busse und Bahnen stoppten für eine Minute. Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff hat dazu aufgerufen, weltweit für Demokratie und Menschenrechte einzutreten. "Die Erinnerung an das Unrecht der Mauer mahnt uns, diejenigen nicht allein zu lassen, die für Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte kämpfen", sagte das Staatsoberhaupt bei der zentralen Gedenkveranstaltung am Samstag in Berlin. "Und sie verlangt von uns, dafür zu sorgen, dass sich Geschichte nicht wiederholt."

Wulff gedachte der Toten an der Mauer und der innerdeutschen Grenze. "Aber einmal mehr hat sich gezeigt: Am Ende ist die Freiheit unbesiegbar", betonte er. Der Bundespräsident kritisierte aber auch, dass sich vor der Wende viele mit Teilung und Mauer abgefunden hätten. Beschämend sei vor allem die um sich greifende Gleichgültigkeit in Westdeutschland gewesen. Unrecht von links habe weniger empört als Unrecht von rechts. Bis heute sei vielen der verbrecherische Charakter der DDR-Macht nicht bewusst. "Es wird verklärt und verharmlost, nicht nur im Osten, nicht nur von Tätern."

Zu dem zentralen Gedenken in der Berliner Mauer-Gedenkstätte an der Bernauer Straße kam auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie bezeichnete das Unrecht des Mauerbaus vor 50 Jahren als weltweite Mahnung, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. "Wir dürfen den 13. August 1961 und das Leid, das er über Millionen von Menschen gebracht hat, nie vergessen. Das Unrecht des Mauerbaus mahnt uns bis heute, bei uns zu Hause und weltweit für Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte einzutreten", sagte Merkel am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der Mauerfall 28 Jahre später sei für sie persönlich ein Erlebnis gewesen, das sie immer leiten werde. Merkel: "Dieses Erlebnis hat meinem und Millionen von Leben eine Wendung zum Guten gegeben. Es wird mich immer leiten."

Wowereit: Traurigster Tag in jüngster Geschichte

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) dankte den DDR-Bürgerrechtlern und osteuropäischen Freiheitsbewegungen. "Sie haben den Weg zur Überwindung der Teilung geebnet." Besonders dankte er dem früheren sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow. Die DDR sei ein Unrechtsstaat gewesen, betonte der SPD-Politiker. Der 13. August 1961 sei der traurigste Tag in der jüngeren Geschichte der Stadt gewesen.

Die frühere Bürgerrechtlerin Freya Klier berichtete von ihrem Fluchtversuch als 18-Jährige, der verraten wurde. Sie kam ins Gefängnis. "Was für ein unbarmherziges System war das, von dem so viele heute noch schwärmen", sagte Klier. Auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) wandte sich gegen eine Verklärung und Verharmlosung der DDR-Geschichte. Es müsse noch mehr Aufklärung geleistet werden. Die DDR sei ohne Zweifel ein Unrechtsstaat gewesen. Gerade den früheren Bürgerrechtlern sei man es schuldig, die "Dinge beim Namen zu nennen und die Wahrheit zu sagen".

Linksfraktionschef Gregor Gysi bezeichnete den Mauerbau als "zutiefst inhuman" und grenzte sich damit auch von umstrittenen Äußerungen von Parteichefin Gesine Lötzsch ab. "Wenn ich eine gerechtere Gesellschaft aufbaue, kann ich es nie dadurch machen, dass ich die eigenen Leute einsperre und auf sie schieße, wenn sie gehen wollen. Das geht einfach nicht, das ist zutiefst inhuman", sagte Gysi laut einem Bericht des Berliner "Tagesspiegel" (Samstagsausgabe) bei einer Veranstaltung der Zeitung. Er könne erklären, wie es zur Mauer gekommen sei, sagte Gysi weiter. Es sei aber etwas ganz anderes, "das zu erklären, als es zu bewerten." Als demokratischer Sozialist könne er bei der Bewertung "nur klipp und klar Nein sagen". Linken-Chefin Lötzsch hatte den Mauerbau als logische Folge des Zweiten Weltkriegs bezeichnet. Dies war auf heftige Kritik gestoßen.

"Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten"

Vor 50 Jahren, am 13. August 1961, begann der Bau der Grenze auf Befehl der DDR-Führung unter Walter Ulbricht. Noch wenige Wochen zuvor hatte Ulbricht die Weltöffentlichkeit getäuscht. Sein Satz "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten" erlangte traurige Berühmtheit. Mit dem Mauerbau wurde die deutsche Teilung zementiert, die erst am 9. November 1989 zu Ende ging. Durch das DDR-Grenzregime starben mindestens 136 Menschen an der Berliner Mauer.

Seit Mitternacht wurden am Samstag in der Kapelle der Versöhnung an der Bernauer Straße die Biografien von Maueropfern gelesen und Kerzen entzündet. Zu den Andachten kamen auch jüngere Menschen, die die Teilung nicht mehr erleben mussten. An der Bernauer Straße wurde auch der zweite Abschnitt einer Mauer-Erinnerungslandschaft unter freiem Himmel eröffnet. Die Straße galt als Symbol der Teilung, weil die Häuser zum Osten gehörten und der Bürgersteig im Westen lag. Hier spielten sich nach dem Mauerbau dramatische Fluchtszenen ab.

Spindelegger: "Mahnung für vereintes Europa"

In Wien bezeichnete Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) die Berliner Mauer als "historische Mahnung für ein vereintes Europa". Vereinzelt versuchten politische Kräfte in einigen europäischen Ländern, "gewisse Entwicklungen zu nutzen, um die Uhr zurückzudrehen", heißt es in einer Aussendung Spindeleggers weiter. "Die Antwort auf aktuelle Herausforderungen darf aber nicht sein, dort Grenzen zu errichten, wo sie längst überwunden sind. Vielmehr gilt es Grenzen, vor allem auch geistige, niederzureißen und gemeinsam den erfolgreichen europäischen Weg fortzusetzen."

(Ag.)

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