Jagd auf Gaddafi: Vom früheren Diktator fehlt jede Spur. Weitere Mitglieder seines Regimes flüchten nach Niger. Rund um Gaddafis letzte verbliebene Hochburgen brachen unterdessen am Freitag schwere Gefechte aus.
Den haag/Htz/Ag. . Nun hat sich auch Interpol in die Fahndung nach Libyens gestürztem Diktator Muammar al-Gaddafi eingeschaltet. Der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag (IStGH), Luis Moreno Ocampo, beantragte bei Interpol die Ausfertigung einer sogenannten „Red Notice“, sodass Gaddafi in jedem Land verhaftet werden kann, in dem er sich aufhält.
Der Ex-Machthaber wurde vom Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bereits angeklagt und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.
„Die Verhaftung von Gaddafi ist nur noch eine Frage der Zeit“, sagte Moreno Ocampo nun in Den Haag. Die „Red-Notice-Fahndung“ von Interpol gelte auch für Gaddafis Sohn Saif al-Islam und den Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi, betonte Moreno Ocampo. Er unterstrich erneut, dass die drei von ihm angeklagten Libyer an Den Haag ausgeliefert werden müssten.
Allerdings hat die nationale Übergangsregierung in Tripolis dazu offenbar eine andere Meinung: Sie will Gaddafi in Libyen vor Gericht stellen. Die Übergangsregierung begründet das damit, dass Gaddafi vom Strafgerichtshof erst im März dieses Jahres angeklagt wurde. Der gestürzte Diktator könne in Den Haag nur für Verbrechen angeklagt werden, die er und sein Regime seit Ausbruch des Revolution im Februar dieses Jahres begangen haben. Die libysche Übergangsregierung aber will Gaddafi für seine Schreckensherrschaft in den vergangenen 42 Jahren vor Gericht stellen.
Chefankläger Moreno-Ocampo hält dagegen: „Libyens Behörden haben die Verpflichtung, die drei vom Strafgerichtshof angeklagten Personen zu verhaften. Aber die Entscheidung darüber, ob sie nach Den Haag überstellt werden, wird eine politische sein.“ Dennoch halte er es für wahrscheinlich, dass Gaddafi, sein Sohn Saif und der Geheimdienstchef nach ihrer Verhaftung an den IStGH ausgeliefert würden, sagte Moreno-Ocampo im Gespräch mit der „Presse“.
Gefechte bei Bani Walid
Wo sich Libyens Ex-Machthaber und die anderen Gesuchten befinden, war aber auch am Freitag zunächst weiter unklar. Nach wie vor halten sich Gerüchte, Gaddafi könnte versuchen, sich in Libyens Nachbarland Niger abzusetzen. Der Niger grenzt an Burkina Faso, dessen Präsident ursprünglich Gaddafi Asyl angeboten hatte.
Bereits am Montag war ein gewaltiger Fahrzeugkonvoi mit Gaddafi-Getreuen aus Libyen im Niger eingetroffen. Am Freitag wurde bekannt, dass auch eine weitere Gruppe von Gefolgsleuten des Ex-Diktators in das afrikanische Land geflüchtet ist. Darunter soll sich auch General Ali Kana befinden. Er kommandierte die südlichen Truppen des Regimes.
Rund um Gaddafis letzte verbliebene Hochburgen brachen unterdessen am Freitag schwere Gefechte aus. Aus der Wüstenstadt Bani Walid wurden Raketen auf die Kämpfer der Übergangsregierung gefeuert. 90 Kilometer östlich von Gaddafis Geburtsstadt Sirte kam es zwischen beiden Seiten zu Artillerieduellen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2011)