Die Hauptarchitekten des Nato-Einsatzes in Libyen, ließen sich am Donnerstag in Tripolis feiern. Die libysche Übergangsführung versprach ihnen eine „zentrale Rolle“ beim Wiederaufbau.
Kairo/Tripolis. Sie genossen ihren Triumph in vollen Zügen: „Es ist aus, gib endlich auf, schick deine Söldner nach Hause“, rief der britische Premier David Cameron an die Adresse von Libyens flüchtigem Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi. „Alle Diktatoren der Welt müssen begreifen, dass es im 21. Jahrhundert für sie kein Entkommen und keinen Ort der Straflosigkeit mehr gibt“, sekundierte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.
Die zwei waren die ersten westlichen Staats- bzw. Regierungschefs, die nach dem Sturz Gaddafis zu einem Kurzbesuch nach Libyen kamen. Im Herzen von Tripolis gaben sie mit der Rebellenführung eine euphorische Pressekonferenz, überschütteten die aufständische Bevölkerung mit Lob und versprachen weitere Militärhilfe der Nato bis zum endgültigen Sieg über Gaddafi: „Ihr habt die Solidarität und Bewunderung des französischen Volkes“, erklärte Sarkozy, und Cameron gab sich überzeugt, Libyen werde „eine große Erfolgsgeschichte“ werden.
Erdoğan verschob Reise
Beider Besuch war quasi über Nacht organisiert worden, weil sich Paris und London nicht von dem ebenfalls in Tripolis angesagten türkischen Premier Recep Tayyip Erdoğan die Schau stehlen lassen wollten. Der befindet sich diese Woche auf „Arabischer Frühlings-Tour“ durch Ägypten, Tunesien und Libyen. Sein Eintreffen in Tripolis wurde denn auch um einen Tag auf Freitag verschoben.
Und so konnten sich Sarkozy und Cameron ungestört sonnen in ihrer populären Rolle als Hauptarchitekten des Nato-Einsatzes über dem ölreichen Mittelmeerland, während Erdoğan das Eingreifen zunächst als „absurd“ und „undenkbar“ abgetan hatte. Am 17. März hatte der UN-Sicherheitsrat die Militäraktionen autorisiert, am übernächsten Morgen bereits bombardierten französische und britische Jets Gaddafis Panzer, die bis in die Außenbezirke von Bengasi vorgedrungen waren. „Merci Sarkozy“ und „Thank you Britain“ zieren bis heute zahllose Hauswände in der Rebellenhochburg im Osten, in die Sarkozy und Cameron weiterflogen. Auf dem Freiheitsplatz wollten sie in der Abendsonne mit den Menschen feiern.
Jenseits aller Euphorie und schöner Worte hat der Wettlauf um lukrative Aufträge begonnen. Die siebenmonatigen Kämpfe haben enorme Schäden angerichtet. Wohnviertel und Städte liegen in Trümmern. Die Ölproduktion soll bald wieder anlaufen, Vorkriegsniveau wird sich aber frühestens in einem Jahr erreichen lassen. Und so versicherte Mustafa Abdul Jalil, Chef des Übergangsrates, seinen beiden Gästen bereitwillig, ihre Nationen würden beim Wiederaufbau „sicher eine zentrale Rolle spielen“.
Kämpfe im Süden und an Küste
Im gleichen Atemzug forderte er die Nato auf, den Rebellen mit zusätzlichen Waffen und weiteren Kampfeinsätzen zu helfen Momentan sammeln sich nach seinen Worten die verbliebenen Truppen Gaddafis im Süden des Landes. „Dort wird es heftige Kämpfe geben.“ Aber auch entlang der Küste zwischen Tripolis und Bengasi wird nach wie vor gekämpft. Gaddafi-Getreue liegen rund um seine Geburtsstadt Sirte verschanzt, Gaddafi selbst gab sich am Mittwoch erneut völlig unbeirrt und appellierte in einer Botschaft aus seinem Versteck heraus an die Staatengemeinschaft, ihm beim Kampf um Sirte beizustehen. Sein Sprecher Mussa Ibrahim ergänzte per Satellitentelefon, der „Bruder Führer“ sei bei „bester Gesundheit“, in „guter Stimmung“ und „selbstverständlich innerhalb Libyens“. Der Kampf um Sirte stehe vor der Tür. „Wir sind zum Krieg bereit, und wenn er Jahre dauert.“
Auf einen Blick
Nicolas Sarkozy und David Cameron waren am Donnerstag als erste westliche Staats- bzw. Regierungschefs nach dem Sturz Gaddafis in Tripolis. Sie hoffen nicht zuletzt auf lukrative Aufträge und libysches Öl.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2011)