Syrien: Assads arabische Gegenspieler

(c) AP (Muzaffar Salman)
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Die Arabische Liga entwickelt gegenüber dem Regime in Damaskus ein immer stärkeres Profil. Dahinter stehen vor allem der neue Generalsekretär und Katars Emir.

Kairo. Viele arabische TV-Sender übertrugen die dramatische Sitzung in der Nacht auf Mittwoch live. Denn im Rund des UN-Sicherheitsrates stand nicht nur Syriens Präsident, Bashir al-Assad, im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern auch seine wichtigsten arabischen Gegenspieler: Nabil el-Arabi, der Generalsekretär der Arabischen Liga, sowie Hamad bin Jassim al-Thani, der Emir von Katar.

Beide machten keinen Hehl aus ihrer Kritik am Regime in Damaskus – und verkörperten vor dem Weltpublikum das neue diplomatische Gewicht des arabischen Staatenbundes. Ein „schnelles und entschlossenes Vorgehen“ sei notwendig, um den Plan der Arabischen Liga für einen Machttransfer in Syrien umzusetzen, forderte el-Arabi. „Das Blutvergießen in Syrien hat unglaubliche Ausmaße angenommen. Die Tötungsmaschine arbeitet ununterbrochen“, sekundierte Emir al-Thani.

Vorbei sind die Zeiten, als Kommuniqués der Liga bis zur Unkenntlichkeit verwässert waren. „Es herrscht ein neues Klima in der Kairoer Zentrale“, bescheinigte kürzlich ein westlicher Diplomat. Seit Nabil el-Arabi im Mai 2011 mitten im Arabischen Frühling das Spitzenamt in dem Bürohaus nahe dem Tahrir-Platz übernahm, steuert der 76-Jährige die Organisation mit Geschick und Beharrlichkeit in das Rampenlicht der Weltbühne.

Glänzender Ruf als Diplomat

Schon vor seiner Wahl zum Nachfolger von Amr Moussa hatte el-Arabi in der Region einen glänzenden Ruf, auch wenn er jahrzehntelang im diplomatischen Dienst von Hosni Mubarak stand. Geboren 1935 in Kairo, studierte er Jus in Ägypten und den Vereinigten Staaten. Als junger Diplomat nahm er 1978 an den Friedensverhandlungen von Camp David teil. Nach mehreren Botschafterposten wechselte el-Arabi 2001 als Richter an den Internationalen Gerichtshof von Den Haag.

Nach dem Fall Mubaraks wurde el-Arabi für zwei Monate Außenminister am Nil, bevor er auf den Chefsessel der Liga wechselte. Katar machte damals ebenfalls Ansprüche auf den Posten geltend, zog seinen Kandidaten jedoch zurück. Ungeachtet dessen bleibt der agile Golfstaat unter Scheich al-Thani im arabischen Staatenbund eine dominante Figur.

„Nicht zurück auf die Kamele“

An die Macht kam der heutige Staatschef, als er 1995 seinen Vater in einer Familienrevolte vom Thron warf. Seitdem entwickelt sich Katar zu einem wirtschaftlichen und diplomatischen Schwergewicht in der Region – bewundert, respektiert, aber auch gehasst. Mehr als 120 Mrd. Dollar investierte das Emirat im vergangenen Jahrzehnt in den Ausbau der Gasförderung. „Wenn eines Tages Öl und Gas erschöpft sind, werden wir nicht wieder zurück auf unsere Kamele steigen“, scherzt der 60-Jährige gerne, der für 2022 sogar die Fußballweltmeisterschaft auf seine Halbinsel holte.

Auch in der Außenpolitik brach der Emir, der 24 Kinder mit drei Frauen hat, mit vielen arabischen Tabus. Katar pflegt Beziehungen zum Iran und zu Israel. Seit 1998 beherbergt der Wüstenstaat das Hauptquartier der US-Truppen im Nahen Osten. Der Haussender al-Jazeera wurde im Arabischen Frühling zum Sprachrohr der Revolutionäre. Gegen Libyens Gaddafi unterstützte al-Thani die Rebellen mit Geld, Waffen und Spezialeinheiten. Heute treibt er den diplomatischen Widerstand gegen das Assad-Regime voran. „Hunderte Kinder sind unter den Todesopfern in Syrien“, schloss er im Weltsicherheitsrat vor den versammelten Diplomaten sein Plädoyer für eine UN-Resolution. „Das Schicksal des syrischen Volkes liegt in Ihrer Hand.“

Vorerst allerdings ließ sich Moskau weder von diesen Worten noch von dem eindringlichen Appell Hillary Clintons erweichen: Russland blockierte auch am Mittwoch die eingebrachte Resolution.

Auf einen Blick

Die Arabische Liga unter Führung von Generalsekretär Nabil el-Arabi (Bild) forderte Bashar al-Assad auf, binnen zwei Monaten die Macht an seinen Vizepräsidenten zu übergeben, den Weg für eine nationale Übergangsregierung frei zu machen und Parlamentswahlen auszuschreiben. Der Plan ähnelt jenem des Golfkooperationsrates für den Machtübergang im Jemen. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2012)

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