USA: Wahlkampfcoup Afghanistan-Abzug

(c) EPA (ISAF/HANDOUT)
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Verteidigungsminister Panetta kündigt vorzeitiges Ende des Kampfeinsatzes am Hindukusch an. Generäle in Panik, kriegsmüde Nation atmet auf. Den Anfang macht der Abzug von 22.000 US-Soldaten aus Afghanistan.

Washington. Auf dem Flug von Washington zu einem Nato-Treffen nach Brüssel hatte Verteidigungsminister Leon Panetta einen Überraschungscoup für die mitreisenden Pentagon-Reporter parat: Die USA würden möglichst schon im Sommer 2013 den Kampfeinsatz in Afghanistan beenden – eineinhalb Jahre vor dem geplanten Truppenabzug und parallel zu den Abzugsplänen Frankreichs.

Der Abzug von 22.000 US-Soldaten im Sommer 2012 leitet den graduellen Rückzug vom Hindukusch ein. Während Afghanistan-Sonderemissär Marc Grossman mit den Taliban Verhandlungen über ein Ende des Kriegs führt, halten derzeit noch 90.000 US-Soldaten die Stellung.

Die Abwicklung der Afghanistan-Mission, erklärte Panetta, folge dem Irak-Modell. Als die US-Streitkräfte im Spätsommer 2010, zwei Monate vor den Kongresswahlen, offiziell die Kämpfe im Irak einstellten, hatte sich Präsident Barack Obama indes die Ankündigung noch selbst vorbehalten. Diesmal überließ er die Verlautbarung dem Pentagon-Chef – womöglich, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, Wahlkampf zu betreiben.

Wahlkampf-Trumpf

Im Wahlkampf könnte der baldige Abzug aber noch zum Trumpf des Präsidenten werden, er könnte seine außenpolitische Bilanz weiter aufpolieren. Den Tod Osama bin Ladens und Muammar al-Gaddafis schlachtet er bereits aus, zuletzt in seiner Rede zur Lage der Nation. Obama weiß genau, wie unpopulär der längste US-Krieg der Geschichte – in der Obama-Diktion ein „notwendiger Krieg“ – inzwischen ist, welch hohen Blutzoll er in den eigenen Reihen forderte und wie sehr er die Kriegskassen auszehrte. Rhetorisch hat er sich längst dem Wiederaufbau der eigenen Nation verschrieben.

Ein vorzeitiges Ende der Kampfhandlungen versetzt die US-Generäle in Panik, stellt aber den pazifistischen, linksliberalen Flügel der Demokraten zufrieden, der aus Protest gegen die Politik Obamas womöglich im Herbst den Wahlurnen fernbleiben könnte.

Mit seiner ultimativen Forderung nach einem Truppenabzug wildert aber auch der republikanische Präsidentschaftskandidat Ron Paul unter den Obama-Wählern von 2008 und begeistert seine jugendlichen Anhänger. Mitt Romney wiederum plädiert dafür, den „Job“ in Afghanistan zu Ende zu bringen.

Außenpolitik spielt in einem Wahlkampf, in dem sich alles um die Wirtschaft und das explodierende Defizit dreht, nur am Rande eine Rolle. Aus Reverenz zu den Exilkubanern blitzte in Florida kurz das Thema Regimewechsel in Havanna auf. Für regelmäßig scharfe Kontroversen sorgt indes die Position zu einer Atommacht Iran – und, in Anlehnung daran, zum Verbündeten Israel. Ein etwaiger israelischer Angriff gegen Teherans Atomprogramm im Herbst würde im US-Wahlkampf freilich Funken schlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2012)

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