François Hollande verweigert Rockstars sein Hemd

Sozialist Franois Hollande Rockstars
Sozialist Franois Hollande Rockstars(c) EPA (YOAN VALAT)
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Nur wenige Tage vor der Präsidentenwahl gibt sich der sonst eher spröde Kandidat betont locker und volksnahe. Er führt derzeit in allen Umfragen vor seinem Kontrahenten Nicolas Sarkozy.

Bourges. Verspätung ist das Vorrecht der Könige, heißt es bekanntlich. Das dachte sich vielleicht auch François Hollande (57), als er gute 75 Minuten zu spät zur Wahlveranstaltung in Bourges erschien. Immerhin könnte der Sozialist ja am 6. Mai Frankreichs nächster „gewählter Monarch“ werden. Dieses Gefühl vermitteln dem Präsidentschaftskandidaten jedenfalls seine Anhänger in Bourges. „François Président!“, rufen sie begeistert. Und der Sozialist, der sich keineswegs daran stört, so familiär beim Vornamen angesprochen zu werden, wollte dem Drang, Hände zu schütteln und Wangen zu küssen, nicht widerstehen – ein Albtraum für seine Leibwächter. Hollande sucht ständig die Nähe zu den Bürgern.

In Bourges haben sich viele Neugierige aus der Nachbarschaft eingefunden. Nicht jeden Tag hat man in dieser auf halbem Weg zwischen Paris und Clermont-Ferrand gelegenen Provinzstadt so prominenten Besuch. Die Leute recken die Köpfe, um einen Blick auf Hollande zu erhaschen, einige schaffen es, sich mit ihm fotografieren zu lassen. Im bewussten Gegensatz zum „Hyperpräsidenten“ Sarkozy und zu dessen glamourösem Stil verspricht Hollande lautstark, er wolle ein „normaler“, volksnaher Staatschef sein.

Auch Mitterrand kam immer zu spät

„Wie früher François Mitterrand kommt er mir vor“, meint der Bürgermeister vom Bourges. Der ehemalige sozialistische Präsident sei auch immer zu spät gekommen. Hollande fühlt sich über den Vergleich sichtlich geschmeichelt. Denn immerhin gehört Bürgermeister Serge Lepeletier der Radikalen Partei und somit dem gegnerischen Lager an. Zweideutig lässt er offen, für wen er am 6.Mai stimmen werde. Hollande wurde als Ehrengast zum „Printemps de Bourges“, dem Chanson-Frühlingsfestival seiner Stadt, eingeladen.

„Für das Spektakel habe ich gesorgt“, tönt indes der sichtlich von sich eingenommene Hollande, weil an diesem frühen Nachmittag beim Festival keine Konzerte stattfinden. Sein Selbstbewusstsein ist seit seinem Etappensieg in der ersten Wahlrunde deutlich gestiegen. Er strahlt über das ganze Gesicht, als er die politisch engagierten Musiker der Gruppe „Zebda“ aus Toulouse trifft. Die Techniker sind dabei, die Mikrofone und Verstärker für das Konzert am Abend zu regeln. Am Ende des Songs brüllt Bandleader Magyd Cherfi wie ein Losungswort „Il va gagner!“ (Er wird siegen!) in den leeren Saal, in dem sich nur die Fotografen und Journalisten vor der Bühne drängen.

Dann traut sich der sonst eher trockene und etwas prüde Hollande gar zu den Rockern auf die Bühne. Er lacht und gibt sich betont locker. Doch singen und tanzen will er nicht. Und auch sein Hemd gibt er nicht her. Auch wenn der erste Erfolgstitel der beliebten Band „Zebda“ „Tomber la chemise“ (Zieh dein Hemd aus) lautete.

Aufgesetzte Freundlichkeit?

Immerhin gibt der Auftritt mit den Superstars gute Fotos her. Und solche Bilder zählen im Wahlkampf, gerade bei jüngeren Wählern, bei denen Holland in der Gunst ohnehin vorn liegt. So betont der Sozialist denn auch die Hoffnung, dass der „Printemps de Bourges“ nur der Auftakt seines politischen „Frühlings“ ist.

Nicht für alle aber wirkt François Hollandes permanente Freundlichkeit überzeugend. Ist diese gutmütige Bürgernähe wirklich echt?, fragen sich viele Franzosen. Wenig weiß man auch über seinen Musikgeschmack. Immerhin gestand er in Bourges: Besonders gut habe ihm vor einem Jahr hier das Lied „Du courage“ der Sängerin la Grande Sophie gefallen.

Eigentlich braucht Hollande jetzt mehr Nerven als Mut. Wenige Tage vor der Wahl am Sonntag führt er derzeit in allen Umfragen vor seinem Kontrahenten Nicolas Sarkozy. Seine rhetorischen Fähigkeiten wird er aber heute, Mittwoch, unter Beweis stellen müssen: Am Abend findet nämlich das einzige – und vermutlich entscheidende – TV-Duell zwischen den beiden Rivalen statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2012)

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