Massenproteste in Moskau: "Putin ins Gefängnis"

Mehr 100000 PutinGegner ziehen
Mehr 100000 PutinGegner ziehen(c) Reuters/DENIS SINYAKOV
  • Drucken

Mehr als 100.000 Menschen sollen gegen den russischen Präsidenten auf die Straße gegangen sein. Dieser gab sich demonstrativ unbeeindruckt. Warnte die Regimegegner aber vor einer schärferen Gangart.

Ungeachtet zahlreicher Einschüchterungsversuche hat die russische Opposition am Dienstag gegen Präsident Wladimir Putin mobil gemacht. Mehr als 12.000 Polizisten und Beamte des Innenministeriums waren nach offiziellen Angaben in der Hauptstadt im Einsatz. Im Stadtzentrum sperrten Einsatzwagen der Sicherheitsbehörden ganze Straßenzüge ab.

Trotz eines heftigen Gewitters beteiligten sich nach Angaben der Organisatoren etwa 50.000 Menschen an der Aktion unter dem Motto „Tag Russlands. Ohne Putin". So viele Teilnehmer hatten die Behörden für den Marsch genehmigt. Die Polizei sprach von etwa 15.000 Demonstranten, der Chef der Linken Front, Sergej Udalzow, hingegen von 100.000 Menschen. Letzterer ignorierte die Vorladung der Polizei und marschierte an der Spitze von Anhängern, die rote Fahnen schwenkten und in Sprechchören „Putin ins Gefängnis" und „Alle Macht dem Volk" riefen.

Referendum zur Auflösung der Stadtduma

Die Opposition will bei dem sogenannten zweiten „Marsch der Million" - die erste Großdemonstration war am Vorabend von Putins Vereidigung Anfang Mai - das „Manifest Freies Russland" verlautbaren und annehmen. Zudem werde man sich auf ein Referendum zur Frage der Auflösung der Moskauer Stadtduma vorbereiten, wie die russische Agentur Ria Novosti berichtete. Die Verfasser fordern demnach, „die Mechanismen der Volksmacht, darunter ein echtes Parlament, eine von der Gesellschaft kontrollierte Exekutivmacht sowie das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Rechtsschutzorgane wieder herzustellen, die sich nur dem Gesetz unterwerfen".

Führende Köpfe der Opposition wie der Blogger Alexej Nawalny fehlten zum Auftakt der Aktion, da sie zeitgleich zu einer Anhörung vorgeladen waren. Menschenrechtler warfen den Behörden vor, sie wollten damit die Teilnahme der Putin-Gegner an der Protestaktion verhindern und andere Demonstranten einschüchtern.

Putin: "Hitzige Diskussionen sind Norm"

Der Präsident gab sich am Dienstag demonstrativ unbeeindruckt. „Solche hitzigen Diskussionen sind die Norm für ein freies demokratisches Land und das ist der Weg, den unser Volk gewählt hat", sagte Putin am Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax. Zugleich warnte Putin aber auch seine Gegner indirekt vor einer schärferen Gangart. "Für uns ist alles inakzeptabel, was dem Land schadet und die Gesellschaft spaltet", sagte der Ex-Geheimdienstchef.

Vermummte Einsatzkräfte hatten am Vortag die Wohnungen mehrerer Oppositioneller wie Nawalny und der TV-Moderatorin Xenia Sobtschak durchsucht. Im Internet zeigten die Ermittler Fotos von druckfrischen Euro- und US-Dollar-Scheinen, die angeblich bei Sobtschak sichergestellt wurden. Es werde geprüft, ob die 30-Jährige Steuern für die insgesamt mehr als eine Million Euro in bar gezahlt habe, sagte Markin. Putin hatte der Opposition wiederholt vorgeworfen, sie werden vom Ausland finanziert.

Zudem wurden mehrere regierungskritische Internetseiten lahmgelegt. Gegen die Homepages des Radiosenders Echo Moskwy sowie des Internet-Fernsehkanals Doschd habe es je eine DDos-Attacke gegeben, teilten die Redaktionen mit. Bei solchen Angriffen werden Server so lange mit sinnlosen Anfragen überflutet, bis sie zusammenbrechen. Auch die renommierte Oppositionszeitung "Nowaja Gaseta" war über das Internet vor Beginn der Demonstration nicht mehr zu erreichen.

Versammlungsgesetz Neu

Das seit dem 9. Juni geltende neue Versammlungsgesetz in Russland verschärft die Strafen für Verstöße bei Demonstrationen drastisch. Privatpersonen können mit bis zu 300.000 Rubel (rund 7300 Euro) belangt werden, Organisationen mit bis zu einer Million Rubel. Bisher lag die Höchststrafe bei 2000 Rubel. Als Verstöße gelten tätliche Gewalt und Vermummung, aber auch die Behinderung des Straßenverkehrs oder das Betreten von Grünflächen. Nach Ansicht der Befürworter trägt das Gesetz zu Sicherheit und Ordnung im Land bei. Bürgerrechtler kritisieren es hingegen als Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit.

(Ag./Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

''Putin, hau ab''

Russland rebelliert

Moskau Polizei Massenprotest Grosseinsatz
Außenpolitik

Vor Protestmarsch: Hacker-Angriffe und Befragungen

Vor dem geplanten "Marsch der Millionen" gehen die russischen Behörden massiv gegen Regimegegner vor. Die Opposition will das "Manifest Freies Russland" verlautbaren. 10.000 bis 20.000 Menschen nehmen teil.
Außenpolitik

Putins Großangriff gegen Opposition

Unmittelbar vor dem für Dienstag geplanten "Protestmarsch der Millionen" gehen die russischen Behörden massiv gegen Regimegegner vor. Dieses gefährliche Manöver könnte die Situation eskalieren lassen.
Kommentare

Scharfer Blick des Autokraten

Russlands Staatsgewalt nimmt sich nun auch „illoyale“ Profiteure Putins vor.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.