Hofburg: Neuer Wahltermin, neue Hürden

„Wer den Schaden hat, hat den Spott“, so Innenminister Wolfgang Sobotka gestern. Er präsentierte eine defekte Wahlkarte und gab bekannt, die Wahl werde verschoben.
„Wer den Schaden hat, hat den Spott“, so Innenminister Wolfgang Sobotka gestern. Er präsentierte eine defekte Wahlkarte und gab bekannt, die Wahl werde verschoben.(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Österreich soll erst am 4. Dezember wählen. Doch nun drohen Regresszahlungen. Zudem sollen Wahlkarten verwendet werden, die besser halten, aber datenschutzrechtlich problematisch sind.

Wien. Zunächst werden die ersten Kästchen des Adventkalenders geöffnet, dann erst die Wahlkarten: Seit Montag scheint fix, dass Österreich am 4. Dezember einen neuen Bundespräsidenten wählt. Innenminister Wolfgang Sobotka und die Klubchefs von SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos verständigten sich infolge des Schlamassels um schlecht klebende Wahlkarten auf eine gemeinsame Vorgangsweise. Doch auf dem Weg zum neuerlichen Wahlversuch gibt es noch einige Hürden.

1 Der bereits fixierte Wahltermin muss unter Zeitdruck geändert werden.

Um das Wahldatum 2. Oktober zu ändern, braucht es eine Novelle des Bundespräsidentenwahlgesetzes. Heute, Dienstag, bringen SPÖ, ÖVP, Neos und Grüne im Nationalrat einen Initiativantrag ein. Dieser wird dem Verfassungsausschuss zugewiesen, der den Antrag am Donnerstag gutheißt. Sodann beschließt der Nationalrat am 21. September die Novelle. Es folgen eine Ausschusssitzung im Bundesrat und ein Beschluss des Bundesrats, der am 23. September erfolgen könnte. Am 24. oder 25. September soll das Gesetz dann vom Nationalratspräsidium in Vertretung des Bundespräsidenten beurkundet werden und am 26. September in Kraft treten.

Der Zeitplan ist also knapp, das Vorhaben aber schaffbar.

2 Um alle 16-Jährigen wählen zu lassen, benötigt man eine Zweidrittelmehrheit.

Während man die Verschiebung der Wahl per einfachem Gesetz in die Wege leiten kann, benötigt man für Änderungen im Wählerregister eine Verfassungsbestimmung und damit eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Denn zum derzeitigen Stand wären nur jene wahlberechtigt, die es auch bei der Wahl im Frühjahr waren, zumal es sich ja nur um die Wiederholung eines Urnengangs handelt. Seit dem Frühjahr haben aber mehrere Leute das Wahlalter von 16 Jahren erreicht, während andere verstorben sind.

Da aber SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos jedenfalls für die Reformen sind, scheint die Zweidrittelmehrheit im Parlament gesichert. Die FPÖ will für ihre Zustimmung beim Gesetzespaket das weitgehende Aus für die Briefwahl, das Team Stronach hat verfassungsrechtliche Bedenken.

3 Die neuen Wahlkarten sind die alten. Und diese hatten ein Datenschutzproblem.

Da es mit den jetzigen Wahlkarten Klebeprobleme gibt, will Innenminister Sobotka nun für die Hofburg-Wahl wieder die Wahlkarten alten Schlages, die bis 2009 in Verwendung waren, zum Einsatz bringen. Diese soll die Staatsdruckerei herstellen, die den Auftrag laut Sobotka nun wegen Gefahr in Verzug ohne Ausschreibung bekommen hat.

Das alte Kuvert war aber eigentlich auf Wunsch des Datenschutzrats abgeschafft worden. Es hatte keine verklebbare Lasche, unter der der Name des Wählers so lang versteckt wird, bis die Wahlbehörde die Wahlkarte öffnet. Dass bei den alten Wahlkarten der Postzusteller Vor- und Familienname, Geburtsjahr und Unterschrift des Wählers auf der Karte sehen konnte, hatte mehrere Bürger verärgert. Dass man nun das alte Kuvert wieder anwenden wolle und so die persönlichen Angaben wieder sichtbar werde, „ist datenschutzpolitisch gesehen problematisch“, sagt Johann Maier, Vorsitzender des Datenschutzrats, zur „Presse“.

In der nächsten Sitzung des Datenschutzrats am 26. September soll das Problem erörtert werden.

4 Wegen der Verschiebung der Wahl drohen Regresszahlungen.

In freiheitlichen Kreisen denkt man bereits über eine Amtshaftungsklage gegen den Bund nach, weil die Wahl schon wieder verschoben wird. Dass eine solche Klage erfolgreich ist, „ist nicht undenkbar“, meint Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk. Zwar müsse der Bund nur zahlen, wenn ein Verschulden vorliege, aber dafür reiche bereits Fahrlässigkeit. Also, wenn etwa nicht genug geprüft wurde, ob die Kuverts gut kleben. Das Ministerium (und damit der Bund) könnte haftbar gemacht werden, wenn es die Aufsicht über die Druckerei vernachlässigt hat. Aber auch für ein direktes Fehlverhalten der beauftragten Druckerei müsste der Bund geradestehen, sagt Funk zur „Presse“.

Für die Klärung des Amtshaftungsanspruchs sind die Zivilgerichte zuständig. Muss der Bund zahlen, könnte er aber versuchen, bei der Druckerei Regress zu nehmen.

Der finanzielle Druck auf die Wahlwerber ist auch deswegen groß, weil es bei Hofburg-Wahlen keinerlei Wahlkampfkostenrückerstattung gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2016)

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