„Große Papp'n, kleines Hirn“: Wer wie im Nationalrat zwischenruft

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Verfehlungen im Hohen Haus sind seit Langem Usus. Präsidentin Prammer will jetzt damit brechen – mit Geldstrafen.

Wien. „Lügner“, „Nazi“, „Betonschädel“ – und „im Sternzeichen Krokodil“: Wenn Österreichs Nationalratsabgeordnete sprechen, am liebsten über einander oder über die Regierung, dann nehmen sie sich meist kein Blatt vor den Mund. Sollen sie auch gar nicht: Die freie Rede ist Herzstück des Parlamentarismus. Aber wie viel ist zu viel – und verletzt also die „Würde des Hauses“?

170 Ordnungsrufe hat Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) in der 24. Gesetzgebungsperiode seit November 2008 schon wegen unpassender Aussagen erteilt, freilich ohne echte Konsequenz. Jetzt wünscht sie sich ein schärferes Instrument, nämlich 1000 bis 2000 Euro Strafe bei beleidigenden oder verleumderischen Äußerungen. Die Fraktionen wollen bis Herbst darüber beraten – und müssten sich selbst an der Nase nehmen.

Sondermüll auf der Regierungsbank

Das „hämische Grinsen des Bundeskanzlers“ kritisierte etwa Gerald Grosz vom BZÖ am 12. März 2009 an Werner Faymann (SPÖ). Grosz war mit 16 Ordnungsrufen bis Ende Juni 2012 „Spitzenreiter“ unter den 183 Abgeordneten, seine Partei – die kleinste im Parlament – kam bis dahin auf 35 Ordnungsrufe. Nur einer weniger als bei den Grünen, der Nummer eins unter den ungeliebten „Zwischenrufern“: Peter Pilz mit 13 Ordnungsrufen sei Dank. Einer seiner umstrittensten Sager, protokolliert am 29. Mai 2009: „Austrofaschismus! Das ist Hetze von der Regierungsbank“ – in Sachen aufgeschobenes Budget. Von ihm kam auch die „Schutzpatronin des organisierten Einbruchs“ am 21. April 2009 – gemeint war die damalige Innenministerin Maria Fekter (ÖVP). Schon 1988 hatte Pilz seine erste Duftnote im Parlament gesetzt, indem er Sondermüll von der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig auf die Ministerbank kippte.

Die FPÖ, mit 33 Ordnungsrufen seit 2008 auf Platz drei der Fraktionen, konzentriert sich lieber auf Kritik an Ko-Abgeordneten. Harald Vilimsky etwa beschimpfte die Vertreter aller anderen Fraktionen als die „drei Affen, die ihre Augen und Ohren geschlossen haben und nichts dazu sagen“ (am 20. Mai 2009 in einer Rechtsextremismus-Debatte).

Vergleichsweise gesittet benehmen sich die Abgeordneten der Regierungsfraktionen SPÖ mit 14 Ordnungsrufen und ÖVP mit acht Ordnungsrufen. Wobei ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf wiederholt aus der Haut fährt: „Hooligan-Sektor“ schimpfte er das BZÖ im Oktober 2011 in der Debatte über die Aufstockung des Euro-Rettungsschirms EFSF. Von der SPÖ am häufigsten auffällig zu Wort meldete sich bisher Christian Faul. „Große Papp'n und kleines Hirn“ sagte er 2009 über „Krokodil“ Grosz, nachdem ihn dieser provoziert hatte. Der BZÖ-General übernahm später die Patenschaft für einen „Artgenossen“ im Zoo Schönbrunn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2012)

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