„ÖVP-Funktionäre haben sich für Rauch entschuldigt“

(c) Clemens Fabry
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Oberösterreichs Grünen-Chef Rudolf Anschober würde im Bund lieber mit der SPÖ koalieren. Aber, sowohl SPÖ als auch ÖVP müssten sich bewegen.

Die Presse: Die ÖVP, in Oberösterreich Ihr Koalitionspartner, warnt im Bund vor „Chaos und Anarchie“ unter einer rot-grünen Regierung nach der Nationalratswahl im kommenden Jahr.

Rudolf Anschober: Das ist FPÖ-Niveau – Herr Rauch (ÖVP-Generalsekretär, Anm.) verbreitet genau die politische Kultur, die die Menschen satthaben. Wir Grünen laden SPÖ und ÖVP ein, statt dieser Hetze einen Dialog über die zentralen Weichenstellungen zu starten: Bildung, Energie, Europa, Reformen in Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Was sagt Ihr Koalitionspartner in Oberösterreich?

Bei mir haben sich heute schon mehrere ÖVP-Funktionäre entschuldigt. Die waren selbst verwundert und haben gemeint, das sei definitiv nicht ihre Linie.

Sie sind im Landtagswahlkampf 2003 mit einem grünen Regierungssessel auf Tour gegangen. Bereiten Sie jetzt für 2013 eine Kampagne mit grünem Ministersessel vor?

Nein, nicht im Mindesten. Nach achteinhalb Jahren in der Koalition mit der ÖVP sind wir sehr zufrieden, besonders was unser Kernthema, die Energiewende, angeht. Auf Bundesebene werden wir die Modelle Oberösterreich und Wien in den Wahlkampf einbringen – es ist wichtig, dass wir als Grüne gezeigt haben, dass wir regieren können. Unser Ziel ist, so stark zuzulegen, dass die Grünen mit SPÖ oder ÖVP eine Mehrheit haben.

Dafür werden die 15 Prozent, die Sie bisher als Ziel für die Wahl genannt haben, aber nicht reichen.

Ich sage sowieso immer: 15 Prozent plus x. In den nächsten eineinhalb Jahren bis zur Wahl wird sich innenpolitisch sehr viel bewegen. Einerseits durch den U-Ausschuss und die Kontrollerfolge der Grünen dort. Andererseits gibt es bis zur Wahl noch viele Unbekannte: Wer kandidiert tatsächlich, wie viele Parteien schaffen es in den Nationalrat. Zum Beispiel ist unsicher, ob eine Stronach-Partei, die Piraten und das BZÖ die Vier-Prozent-Hürde schaffen. Wenn nicht, kann man auch mit 45 Prozent schon Chancen auf die Mehrheit haben.

Mit welcher Partei sehen Sie auf Bundesebene derzeit am meisten Übereinstimmung?

Sowohl SPÖ als auch ÖVP müssten sich sehr bewegen, um mit uns zusammenzuarbeiten. In der ÖVP sehe ich aber, dass es zuletzt sehr unterschiedliche politischen Entwicklungen gibt: Da gibt es einerseits einen Minister Mitterlehner, der aus meiner Sicht ein spannender Gesprächspartner ist. Andererseits gibt es die Spindeleggers und Fekters, die die Partei immer stärker von grünen Inhalten – gerade in der Finanz- und Bildungspolitik – wegbewegen.

Das heißt, eine Zusammenarbeit hängt davon ab, wer nach der Wahl in der ÖVP an der Macht ist.

Derzeit halte ich eine Kooperation mit der SPÖ für wahrscheinlicher. Aber es wird auch zunächst darum gehen, mit wem überhaupt eine Mehrheit möglich ist und ja, auch darum, wer sich in der ÖVP durchsetzt.

Wäre eine rot-schwarz-grüne Dreierkoalition für Sie ein Thema?

Da theoretisieren wir schon zu viel – wir sollten eine Zweierkoalition anstreben. Jetzt müssen wir erst einmal Wahlkampf führen, dann über Inhalte diskutieren – und wir werden nicht so verrückt sein, jetzt schon über Personalfragen zu sprechen.

Das heißt, es ist auch die Frage müßig, ob Sie nach Wien wechseln.

Ich strebe das nicht an. Ich erlebe Oberösterreich als tolle Arbeitssituation – mittlerweile haben sich viele Türen geöffnet, die den Grünen am Anfang verschlossen waren. Gerade in ländlichen Situationen hat uns die schwarz-grüne Konstruktion sehr geholfen.

In Wien gibt es rot-grüne Reibereien um Parkplätze, Sie sparen in Oberösterreich die wichtige Frage des Westrings aus der Koalitionsarbeit aus. Warum sollten die „Großparteien“ im Angesicht solcher Differenzen mit Ihnen zusammenarbeiten?

Es geht ja nicht darum, ob die Großparteien, sondern ob die Bürger mit uns zufrieden sind.

Rudolf Anschober (51) ist Landesrat in Oberösterreich für die Bereiche Umwelt, Energie, Wasser und Konsumentenschutz. Er hat die Grünen 2003 in eine Koalition mit Josef Pühringers ÖVP geführt – damals die einzige grüne Regierungsbeteiligung auf Landesebene. 2010 zog Wien mit einer rot-grünen Koalition nach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2012)

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