Waldner: "Ich habe keine Angst vor dem Bierzelt"

WaldnerIch habe keine Angst
WaldnerIch habe keine Angst(c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
  • Drucken

Kärntens neuer Landesrat über seine Rolle in der ÖVP, Europa, Adoptivkinder für Homosexuelle, seine Entschlussfreude und seine Skepsis gegenüber Lederhosen.

Die Presse: Waren Sie in Ihrem Job als Staatssekretär nicht ausgelastet?

Wolfgang Waldner: Ich war absolut ausgelastet, manchmal sogar an meiner Leistungsgrenze. Ich habe in den 16 Monaten 450 Arbeitsgespräche geführt. Dann noch die vielen Reisen. Aber es war auch irrsinnig schön.

Ich frage, weil Ihr Nachfolger Reinhold Lopatka sich zusätzlich in Österreich der Vermittlung der EU-Politik widmen will.

Auch ich habe einen Großteil meiner Zeit für Europa eingesetzt. Und ich war in Sachen EU auch in Österreich unterwegs, bei Diskussionen. Aber durch die Reisen geht vieles rein physisch gar nicht.

Wie soll Lopatka das dann schaffen?

Er wird anders gewichten. Von der Job-Description her muss er machen, was ich gemacht habe. Die internationalen Konferenzen und bilateralen Kontakte weltweit werden ihm nicht erspart bleiben. Aber er ist ja Marathonläufer. Wie ich.

Was halten Sie von der kantigeren ÖVP-EU-Politik, konkret Spindeleggers Vorschlag, künftig notfalls Staaten aus der Eurozone rauszuwerfen?

Das ist keine neue und keine österreichische Diskussion. Und es betrifft die Zukunft. Vorher bräuchte es eine Debatte, dann eine Vertragsänderung, die – optimistisch gedacht – fünf Jahre dauert.

Zu Ihrer neuen Aufgabe, Kärnten: Nach dem Martinz-Rücktritt wollten wir Sie interviewen, ob Sie nach Kärnten gehen. Die Idee wurde aber verworfen, weil wir dachten: Das macht der nie.

Damals hätte ich wahrscheinlich auch gesagt: Ich denke nicht daran. Beim ersten Kontakt mit Gabriel Obernosterer (ÖVP-Parteichef in Kärnten, Anm.) war ich auch skeptisch. Es ist erst langsam gesickert.

Einige glauben Ihnen nicht, dass Sie freiwillig wechseln, sondern, dass Spindelegger Sie geschickt hat. Warum?

Weiß ich nicht. Ich habe mit ihm erst nach meinem Entschluss gesprochen. Er hat auch nicht sofort gesagt: Geh. Ich war für ihn offensichtlich keine unwesentliche Stütze. Aber er hat dann offenbar überlegt, dass er an einer Erneuerung in Kärnten mitwirken kann.

Lügt Minister Berlakovich, der sagt, Sie hätten sich nicht um den Job gerissen – die Wahl sei eben auf Sie gefallen?

Das stimmt so nicht. Ich reiße mich zwar nicht um Ämter, ich bin aber überzeugt, dass das für mich die richtige Entscheidung ist.

Spindelegger zufolge sollen Sie den Neuanfang der Partei mitgestalten. Obernosterer sagt wiederum, er selbst kümmere sich um die Neuaufstellung, Sie seien Botschafter nach außen. Was ist jetzt genau Ihre Rolle?

Das ist kein Widerspruch. Wir werden Entscheidungen gemeinsam treffen. Wir sind Teil eines Teams, das noch mit anderen, hoffentlich jungen Menschen aufgefüllt wird.

Haben Sie konkrete Leute im Kopf?

Es gibt Ideen.

Noch einmal: Wie sehen Sie Ihre Position in der Kärntner ÖVP?

Ich strebe keine Parteiposition an, wenn Sie das meinen. Als „einfacher“ Landesrat habe ich immerhin sechs bis sieben Referate und kontrolliere 1,35 Milliarden Euro – zwei Drittel des Landesbudgets.

Und der erste Listenplatz?

Das ist derzeit kein Thema.

Kann es denn einen ÖVP-Neuanfang mit der FPK geben? Sie schließen eine Koalition nicht aus.

Weder ein noch aus. Wir wissen ja noch gar nicht, welche Personen bei den anderen Parteien uns nach der Wahl gegenübersitzen.

Eventuell gibt es dann auch eine Stronach-Partei. Was heißt das für die ÖVP?

Stronach ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, der seine Verdienste hat. Aber ich glaube, dass er schon wegen Ansagen wie „Zurück zum Schilling“ im Wahlkampf kein Problem bedeutet.

Sie selbst müssen in Kärnten erst bekannt werden. Sie haben angekündigt, „weniger unauffällig“ sein zu wollen.

Zurückhaltung war meine Rolle im Außenministerium. Jetzt bin ich mit Obernosterer Nummer eins.

Die Kärntner werden sich fragen, wofür Sie stehen. Sie gelten als gesellschaftsliberal ...

Würde ich auch sagen.

Sollen Homosexuelle gemeinsam Kinder adoptieren dürfen?

Grundsätzlich habe ich damit kein Problem, ich habe ja lange in den USA gelebt. Aber ich habe mich noch nicht aus Sicht des Kindes damit beschäftigt, also keine abschließende Meinung.

In Wien galten Sie als streng. Als Museumsquartier-Chef traten Sie – erfolglos – gegen Alkoholtrinken in den Höfen ein. Werden Sie sich in Kärnten für ein Freiluft-Alkoholverbot stark machen?

Sie wühlen in alten Wunden. Ich war nur gegen unkontrolliertes Komasaufen. Ich bin absolut dafür, dass jeder sein Leben so genießen kann, wie er will, und auf öffentlichen Plätzen Alkohol trinken kann. Die Freiheit endet dort, wo Belästigung beginnt.

Bei unserem letzten Gespräch haben Sie gesagt, Sie überlegen, einen Kärntner Anzug zu kaufen, weil der alte nicht mehr passt.

Ich kaufe vorerst keinen. Ich habe nichts gegen Tracht, bin aber nicht der, der in Lederhosen herumläuft.

Mit welchem Gefühl blicken Sie dann künftigen Veranstaltungen wie Villacher Fasching oder dem Bierzeltfest entgegen? Das ist für Sie doch schon eine andere Welt.

Schon, aber ich habe keine Angst vorm Bierzelt. Das sind normale Leute, die zu verschiedenen Veranstaltungen gehen. Dass man den profunden politischen Dialog nicht bei Bierzeltgetöse führen kann, ist klar. Ich werde trotzdem hingehen, bin aber eher für seriöse Diskussionen. Aber die wird man woanders führen, zum Beispiel im Kulturzentrum.

Zur Person

Wolfgang Waldner, 57, war ab dem Vorjahr Staatssekretär im Außenamt. Nun folgt er auf den Kärntner ÖVP-Landesrat Achill Rumpold. Dieser legte das Amt wegen seiner Nähe zu Ex-Landesparteichef Josef Martinz nieder, der in die Causa Birnbacher verstrickt ist. Waldner startete seine Karriere in den 1980er-Jahren im Außenamt, er leitete das Kulturinstitut in New York. Vor seiner Arbeit im Ministerium Michael Spindeleggers war er Chef des Wiener Museumsquartiers. [Michaela Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Geschenke für Kurt Scheuch (l.) nach seiner Wahl zum FPK-Chef.
Politik

FPK-Parteitag: "Wir haben leider keine gekauften Medien"

Die FPK hielt unter dem Motto "Jetzt erst recht" ihren Parteitag ab. Kurt Scheuch wurde zum neuen Parteichef gewählt. Unterdessen wurden weitere Vorwürfe gegen Landeshauptmann Dörfler erhoben.
Kärntner von Haiders Mitschuld an Skandalen überzeugt
Politik

Umfrage: Kärntner von Haiders Mitschuld überzeugt

54 Prozent der Kärntner attestieren dem verstorbenen Landeshauptmann eine "große" Mitschuld an den jüngsten Politskandalen.
Innenpolitik

Gerhard Dörfler: "Lasse mich nicht unter Druck setzen"

Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler spricht im Interview mit der "Presse" über seinen Job, Vorverurteilungen gegen die FPK, FPÖ-Chef Strache und seine Wahlhilfe für die Stronach-Partei bis 3.März.
Innenpolitik

Kärnten: Stronach erhöht Nervosität vor Neuwahl

Für Freitag ist die vierte Sondersitzung des Kärntner Landtags geplant, die FPK dürfte die Abstimmung auf vorgezogene Wahlen erneut boykottieren. Neue Stronach-Partei bringt alle Parteien unter Druck.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.