Mitterlehner: „Sind verzichten nicht gewohnt“

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Wirtschaftsminister Mitterlehner macht Druck für den raschen Abschluss des Lehrerdienstrechts und kündigt im Interview mit der "Presse am Sonntag" Anpassungen bei der Familienbeihilfe an.

Wenn man die Ergebnisse der Regierungsklausur anschaut: Sind Minister Hundstorfer und Sie die einzigen, die in der Regierung ihre Arbeit erledigen?

Reinhold Mitterlehner: Das ist nicht so. Wir haben zwar einen wichtigen Teil zu Wirtschaft und Qualifikation erledigt. Es hat aber noch zehn andere Ministerratsvorträge gegeben, darunter Lösungen bei den Universitäten. Das war eine ergebnisreiche Klausur.

Aber bei den Studiengebühren war es nur eine Reparatur, die neue Lehrerausbildung ist schon mehrfach angekündigt worden.

Gerade den Universitäten wird damit Sicherheit gegeben. Aber das Lehrerdienstrecht sollten wir beschleunigen.

Beschleunigen, in welcher Form?

Dass wir bis zur nächsten Klausur im März Ergebnisse haben.

Einen Abschluss mit der Gewerkschaft?

Es soll ein Ergebnis vorliegen, das Thema wird schon relativ lang verhandelt. Aber das ist Sache des Verhandlungsteams.

Bei dieser Klausur ist aufgefallen, wie schwer sich die Koalition gerade bei ideologischen Streitfragen, etwa Bildung, tut.

Bei meinen Fachbereichen kann ich das nicht bestätigen. Wir haben trotz schwieriger Ausgangssituation etwa bei den Invaliditätspensionen oder trotz gesellschaftlich unterschiedlicher Positionen mit der GmbH-Reform Lösungen gefunden, die für den Standort Österreich weiterführend sind. Vor allem: Wir sind im Unterschied zu anderen Länder proaktiv unterwegs, und unsere Wirtschaft wächst. Andere Länder müssen sanieren. Das ist der gravierende Unterschied, der in der Öffentlichkeit kaum beachtet wird, da wird eher bewertet, wo man sich nicht einigt.

Trotzdem: Was machen Hundstorfer und Sie besser als manche Regierungskollegen?

Wir agieren auf jeden Fall ergebnisorientiert. In der Phase der Problemlösungen enthalten wir uns beide aller Positionierungen in den Medien. Das vermeidet Frontstellungen und macht Lösungen leichter.

Das Rezept lautet also: weniger streiten.

Ich hüte mich vor einer Oberlehrerrolle. Im Endeffekt ist die Bevölkerung an Lösungen interessiert, nicht an einer Auseinandersetzung.

Was bringt denn das Wirtschaftspaket?

Wir erwarten bei den Unternehmensgründungen eine wesentliche Steigerung, die waren in den letzen beiden Jahren stagnierend. Wir haben sonst 30.000 Gründungen gehabt, jetzt sind wir bei 28.000. Wir erwarten eine Steigerung in den nächsten drei Jahren von 20 Prozent.

Warum meint die Regierung tatsächlich, sie werde unter ihrem Wert geschlagen?

Wir haben eine Krisensituation, wo sich kaum Zugewinne zeigen und sich kaum Möglichkeiten, Wohlfahrt zu verteilen, ergeben. Die Leute sind es nach mehreren Jahrzehnten, in denen es nur nach oben gegangen ist, nicht gewohnt, auf etwas zu verzichten. Damit ist Regierungsarbeit keine einfache Angelegenheit, weil es sehr oft Negatives gibt, das für die Bevölkerung spürbar wird. Regieren ist also in der Krise schwieriger geworden, weil es andere Notwendigkeiten gibt. Im Endeffekt kann man aber nur das Notwendige tun und die Bevölkerung stärker in die Problemlösungsprozesse einbinden.

Aber lässt sich mit Klausuren das Vertrauen der Wähler tatsächlich zurückgewinnen?

Es ist eine Illusion zu glauben, dass der ganz spektakuläre Befreiungsschlag kommen kann, bei dem hundert Prozent der Österreicher applaudieren. Im Zeitverlauf bin ich aber optimistisch, dass doch immer mehr vergleichen, wie die Situation bei uns und in anderen Ländern ist.

Stichwort Wirtschaft: Es fällt auf, dass die ÖVP jetzt im Herbst, seit Frank Stronach seine Kandidatur angekündigt hat, ihren Schwerpunkt auf die Wirtschaft setzt.

Schon die Vergangenheit hat gezeigt, dass uns die Bürger wegen Wirtschafts- und Krisenkompetenz erhöhtes Vertrauen zumessen. Wir konnten das schon in der Krise 2009 beweisen. Das wollen wir jetzt auch an den Tag legen. Der große Irrtum in unserer Gesellschaft ist momentan, dass die andere Seite, nicht nur in Österreich, der Meinung ist, man könne durch Umverteilung nach unten auf Kosten der Reichen, denen man etwas wegnimmt, Probleme lösen. Wir müssen mehr erwirtschaften, das heißt: Wertschöpfung so schaffen, dass wir Zuwächse haben und dann die Möglichkeit schaffen, dass die, die jetzt weniger haben, in Zukunft wieder mehr haben. Mit Wegnehmen und Umverteilen unterbinde ich jede Motivation für zusätzliche Wertschöpfung.

Damit ist in der Koalition künftig stärkere Auseinandersetzung programmiert.

Das ist ja nichts Schlechtes. Die Auseinandersetzung über unterschiedliche Standpunkte kann auch weiterführen. Schlecht ist, wenn sich eine Pattstellung ergibt, wo nichts mehr passiert.

Bringt die ÖVP Ziele wie Wertschöpfung und Motivation erhöhen rüber, wenn auf der anderen Seite die eingängige Parole lautet: Die Reichen sollen mehr zahlen?

Mit Letzterem wird kein Problem gelöst. Wir müssen schauen, dass jene, die weniger haben, ihre Motivation erhöhen, Anreize bekommen und in Zukunft am Erwerbsprozess besser beteiligt werden. Orientierung muss sein, dass der Kuchen insgesamt wächst.

Wie groß ist die Konkurrenz durch Stronach für die ÖVP?

Das wird sich erst im Zeitablauf richtig zeigen: Es ist dort keine unschwierige Konstellation, zwischen Stronach und seiner Klubmannschaft. Diese hat schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie sich in einem Parteigefüge nicht unbedingt wohlfühlt. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Spannungsfeld zwischen dem Parteichef und den handelnden Personen entwickelt.

Da erwarten Sie Sprengstoff, der vor der Wahl hochgeht?

Ich schaue mir die Teamfähigkeit dieser beiden Pole einmal an. Und ich sehe in der inhaltlichen Positionierung riesengroße Probleme, wenn ein international tätiger Unternehmer meint, man könne so einfach vom Euro in den Schilling wechseln, ohne dass das der Wirtschaft schadet.

Ist es realistisch, dass die ÖVP Nummer eins wird?

Realistisch ist, dass wir unsere Position verbessern können. Denn durch die Diskussion um die Wirtschaftskrise ist eine neue Situation da: Die Ausgangsposition sehe ich für uns als sehr gut an.

Steht Michael Spindelegger als ÖVP-Spitzenkandidat für Sie außer Frage?

Klar.

Am 20.Jänner ist die Heeresvolksbefragung. Könnte das dazu führen, dass spätestens im Frühjahr 2013 gewählt wird?

Das glaube ich weniger. Die Volksbefragung wird keine 50:50-Pattsituation bringen. Wer seine Meinung nicht durchbringt, wird nicht das Interesse haben, gleich in Wahlen zu gehen.

Wie kann die Koalition im ersten Halbjahr 2013 bei drei Landtagswahlen überhaupt ordentlich arbeiten?

Indem man Problemlösungen vorweisen kann. Da finde ich die Festlegung einer Regierungsklausur im März eine gute Ansage, die die Bürger schätzen werden. Das ist eine Ansage für Sacharbeit, nicht für Wahlkampf.

Die Bürger interessiert vom Familienminister auch: Was können Familien in absehbarer Zukunft erwarten?

Wir haben mehrere Komponenten im Laufen. Eine ist die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da haben wir das Ausbauprogramm für die Kinderbetreuung, das gut funktioniert.

Die Familien interessiert auch das Geld.

Im Familienlastenausgleichsfonds wird es so sein, dass wir 2018 schuldenfrei sein werden, jetzt haben wir Schulden von 3,4 Milliarden. Wir werden darüber diskutieren, ob wir nicht die längst fällige Valorisierung der Familienleistungen in diesem Zeitraum einbauen, um Familien zu signalisieren, dass es nicht nur bei Pensionen entsprechende Anpassungen gibt.

In diesem Zeitraum: Was bedeutet das?

Von heute bis 2018 werden wir eine Vereinfachung und Anpassung, also leichte Adaptierungen in Richtung Erhöhung, vorschlagen.

Wann soll die kommen?

Das müssen wir noch ausverhandeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2012)

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