Der ÖVP-Wirtschaftsminister lässt alle "Kompensationsgeschäfte" für die Kampfjets neu beleuchten. Parteichef Spindelegger überlegt, aus dem Vertrag mit Hersteller EADS auszusteigen.
Wien/Pö. Die Summe ist nicht unbeträchtlich: 4,1 Mrd. Euro haben 320 heimische Firmen bis zum Jahr 2010 als „Kompensationsgeschäfte“ zum Eurofighter-Deal der damaligen schwarz-blauen Regierung im Jahr 2002 beantragt. Und immerhin 3,3 Mrd. Euro von 280 heimischen Betrieben hat die Regierung bisher anerkannt. Für die betreffenden Gegengeschäfte zum Kauf von 15 (ursprünglich: 18) Eurofightern um knapp zwei Mrd. Euro liegen auch Gegengeschäftsbestätigungen vor: mit Unterschrift von Vertretern der Firmen.
Doch wie echt sind diese Gegengeschäfte? Gab oder gibt es auch „vorgeschobene“ Geschäfte – mit denen Politiker, aber auch Vertreter der Betriebe weniger der Sache als der eigenen Geldbörse gedient haben? Eine Unterschrift im Gegenzug zu einer „Provision“ aus dem Umfeld des Eurofighter-Herstellers EADS? Wie unsauber oder sauber waren die Geschäfte?
Dem will Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nun erneut nachgehen, wie er am Donnerstag erklärte: Eine eigene Taskforce des Ministeriums solle zwei Monate lang sämtliche Gegengeschäfte zum Eurofighter-Deal, nach früheren Prüfungen, noch einmal untersuchen. „Nichts soll unbeachtet bleiben.“ Denn der Ruf der Regierung – der jetzigen und der alten – stehe auf dem Spiel. Gab oder gibt es Schmiergeldzahlungen an Entscheidungsträger? Die Entscheidung für die 18 bzw. 15 Kampfjets von EADS durch die damalige schwarz-blaue Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) fiel zwar einstimmig. Doch noch kurz davor hatten Finanzminister Karl-Heinz Grasser die US-amerikanischen F16 und Verteidigungsminister Herbert Scheibner (beide damals FPÖ) die schwedischen Gripen bevorzugt.
Zu welchem Preis kam der Umschwung? Fest steht laut dem für Gegengeschäfte zuständigen Wirtschaftsministerium: 3,3 Mrd. Euro zählen die bisher anerkannten Gegengeschäfte, und ein Großteil, nämlich 72Prozent oder fast 2,4 Mrd. Euro, entfiel auf nur zehn Firmen, allen voran der Lkw-Hersteller MAN. Auch der Flugzeugtechnologie-Hersteller FACC gehöre zu den großen Profiteuren.
Fest stehe weiters, so Mitterlehner: Auch Magna habe im größeren Stil profitiert. Konkret habe der Autozulieferkonzern „Kompensationsgeschäfte“ von 358,6 Mio. Euro bis zum Jahr 2010 eingereicht, 348,4 Mio. Euro davon seien anerkannt worden. Damit stellte sich der Minister erneut gegen Aussagen von Magna-Gründer und Neo-Politiker Frank Stronach, wonach Magna nie von Gegengeschäften zum Eurofighter-Deal profitiert habe (siehe Interview unten). Dazu Mitterlehner: Es gebe Bestätigungen mit Unterschriften von Magna-Vertretern, die das Gegenteil zeigen würden.
Spindelegger: „Malversationen“
Schon Mittwochabend im ORF-Fernsehen hatte ÖVP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger – nach Aussagen in der „Presse“ – erneut betont, er schließe nicht aus, dass der Jet-Kauf im Fall von „Malversationen“ bei Gegengeschäften „rückabgewickelt“ wird. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter gratulierte: Erstmals habe ein ÖVP-Obmann mögliche Malversationen beim Deal eingeräumt.
Auf einen Blick
Am 2. Juli 2002 beschloss die schwarz-blaue Regierung den Kauf von 18 (später: 15) Eurofightern um knapp zwei Mrd. Euro, davor waren die Minister Grasser und Scheibner für andere Kampfjets. Der Verdacht lautet u. a. auf Schmiergeld an Entscheidungsträger. Strittig sind Gegengeschäfte, etwa mit Magna. Wirtschaftsminister Mitterlehner lässt eine Task Force prüfen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2012)