Dörfler gegen Scheuch, Dobernig gegen Ragger: Der Tod Jörg Haiders hat den Freiheitlichen Machtkämpfe beschert, die bis heute fortwirken.
Wien. Zwei Wochen nach der Landtagswahl schlittern die Kärntner Freiheitlichen immer tiefer in die Krise. Am Montag tagten die Parteigremien bis in den Abend, unterbrochen nur von Verhandlungen mit den Abtrünnigen: Landeshauptmann Gerhard Dörfler, Landesrat Harald Dobernig und der Abgeordnete Hannes Anton sollten überredet werden, ihre Landtagsmandate zu räumen. Der Neustart der FPK ist jedenfalls gründlich misslungen. Die Gründe dafür:
1. Der Chef ist tot – und hat die Nachfolge nicht geregelt
Die Kärntner Freiheitlichen waren über mehrere Jahrzehnte auf eine Person zugeschnitten: Jörg Haider. Der hat nicht nur die gesamte Landespolitik, sondern auch seine eigene Partei dominiert. Wie so viele autokratisch herrschende Machtmenschen hat er es aber tunlichst vermieden, einen logischen Nachfolger aufzubauen. Zwar hat er viele Junge in die Politik geholt und rasch Karriere machen lassen – man denke an Karl-Heinz Grasser, Mathias Reichhold, Martin Strutz, Uwe Scheuch oder Stefan Petzner. Die Mitglieder der berühmten „Buberlpartie“ durften an der Macht teilhaben – aber nie zu lange, dann kam der Nächste dran.
2. Der Machtkampf Dörfler gegen Scheuch wurde nicht entschieden
Nach dem Tod Haiders hatten die Freiheitlichen zwei Möglichkeiten: die Buberlpartie in Person des gerade aktuellen Favoriten Uwe Scheuch ans Ruder zu lassen, oder mit Gerhard Dörfler einen völlig anderen Weg zu gehen. Denn der damalige Verkehrslandesrat Dörfler entsprach so gar nicht dem Klischee des jungen, feschen Haider-Adlatus. Er ist eher der Typus des provinziellen Landespolitikers großkoalitionären Zuschnitts: machtbewusst, in seinem Einflussbereich dominant, außerhalb aber eher unbeholfen wirkend. Ein Günther Platter oder Hans Niessl auf kärntnerisch eben.
Die Kärntner Freiheitlichen haben sich darum herumgeschwindelt, die Machtfrage zu entscheiden. Dörfler wurde Landeshauptmann, aber Uwe Scheuch – und nach seiner Verurteilung in der „Part of the game“-Affäre sein Bruder Kurt – hielt in der Partei die Zügel fest in der Hand. Ein Umstand, der die FPK lähmen sollte.
3. Der Machtkampf Christian Ragger gegen Harald Dobernig dauert an
Nach dem Wahldebakel am dritten März war klar: Einer aus der bisherigen Riege der Regierungsmitglieder muss die Führung übernehmen. Denn obwohl die Freiheitlichen in Kärnten 17 Landtagsabgeordnete hatten, hat keiner von ihnen das Format eines Parteichefs. Dass da die Wahl auf den Soziallandesrat und Rechtsanwalt Christian Ragger fiel, ist logisch: Scheuch und Dörfler mussten die Wahlniederlage verantworten, und bei Dobernig ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es bald zu einer Anklage kommt (mehrere Verfahren gegen den Finanzlandesrat laufen). Allerdings waren Dobernig, der den nationalen Flügel in der Partei verkörpert, und Ragger schon vorher Gegenspieler im parteiinternen Machtkampf, womit die Bereitschaft Dobernigs, das Feld freiwillig zu räumen, gleich um einiges geringer ist.
4. Die FPK war im Machtrausch, jetzt folgt der Katzenjammer
Der legendäre sozialistische Landeshauptmann Leopold Wagner hat einst ein parteipolitisches Machtsystem aufgebaut, Haider und seine Erben haben es kopiert: Postenbesetzungen, Aufträge, Förderungen – alles ist ans Wohlverhalten gegenüber der Partei gekoppelt. Dieses System ist immer noch in den Köpfen der handelnden Personen, wie die letzte Aktion Dobernigs zeigt: Der will rasch noch 50 Mitarbeiter aus den Büros der FPK-Regierungsmitglieder im Landesdienst unterbringen – 31 davon mit einem neuen, unbefristeten Vertrag.
Der SPÖ nahm man das „System Wagner“ jahrzehntelang übel, sobald die Sozialdemokraten nichts mehr zu verteilen hatten. Ähnliches könnte jetzt auch den Freiheitlichen blühen. Und es kann auch lange dauern, bis sich die Partei wieder konsolidiert und bis klar ist, wer wirklich den Ton angibt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2013)