Mehrwertsteuer-Senkung gescheitert, Studiengebühren abgeschafft

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NATIONALRAT(c) APA (Roland Schlager)
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Der Nationalrat hat in der 19 Stunden dauernden letzten Sitzung vor den Wahlen weitreichende Änderungen beschlossen: Erhöhung der Pensionen und des Pflegegeldes, Einführung der 13. Familienbeihilfe, Verlängerung der Hacklerregelung.

Der Nationalrat hat in seiner letzten Sitzung vor der Wahl am Mittwoch die Abschaffung der Studiengebühren, die Erhöhung der Pensionen und des Pflegegeldes und eine 13. Familienbeihilfe beschlossen.

Gescheitert ist hingegen eine Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Das BZÖ, das bei dem Antrag von SPÖ und FPÖ das Zünglein an der Waage war, hat der Maßnahme nicht zugestimmt. Die Orangen beantragten stattdessen, dass das Thema in den Finanzausschuss verwiesen wird. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen von BZÖ, ÖVP und Grünen angenommen. Die Maßnahme wird daher nun im zuständigen Ausschuss diskutiert, und kann damit vor der Wahl nicht mehr im Plenum des Nationalrats beschlossen werden.

Faymann "enttäuscht"

Die SPÖ bringt somit zumindest einen Punkt aus ihrem Fünf-Punkte-Entlastungspaket nicht durch. Parteichef Werner Faymann zeigte sich darüber "enttäuscht". Er wolle sich weiterhin für die Senkung der Mehrwertsteuer einsetzen. Außerdem habe man sich zumindest bei den anderen vier Punkten durchsetzen können.

Westenthaler begründete die Ablehnung damit, dass man dem Bürger nicht garantieren könne, dass die Senkung nicht nach ein paar Monaten vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben werde. Außerdem sei denkbar, dass die Maßnahme letztlich vor allem eine Förderung deutscher Großhandelsketten sei. Dies gelte es mit Experten zu diskutieren. Er könnte sich dann auch eine Zustimmung zu der Maßnahme vorstellen, so Westenthaler - "aber nicht heute".

FPÖ: BZÖ geht vor EU in die Knie

ÖVP und Grüne sprachen sich in der Debatte vehement gegen die Halbierung der Mehrwertsteuer aus. So erklärte VP-Finanzsprecher Günter Stummvoll, dass diese Maßnahme überhaupt nicht sozial treffsicher sei. Es handle sich vielmehr um eine Umverteilung von unten nach oben. Die Kostenersparnis werde vom Handel sicher nicht weitergegeben. Ähnlich Grünen-Chef Alexander Van der Bellen: Zu glauben, dass die Senkung bei den Preisen dauerhaft weitergegeben werde, sei "abenteuerlich".

SPÖ und FPÖ verteidigten den Vorschlag hingegen und zeigten sich überzeugt, dass die Lebensmittel durch die Steuersenkung billiger würden. FP-Chef Heinz-Christian Strache warf dem BZÖ vor, vor der EU in die Knie zu gehen.

Steuer auf Medikamente wird gesenkt

Angenommen wurde hingegen der Antrag, die Mehrwertsteuer auf Medikamente von 20 Prozent auf zehn Prozent zu senken. SPÖ, FPÖ und BZÖ stimmten dafür.

Pflegegeld wird erhöht

Bei der Erhöhung des Pflegegeldes waren sich ausnahmsweise alle Parteien einig: Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Demnach wird das Bundespfelegeld ab 1. Jänner 2009 gestaffelt zwischen vier und sechs Prozent angehoben. Außerdem werden "Erschwerniszulagen" für schwerbehinderte Kinder und Jugendliche sowie Demenzkranke eingeführt.

Aus für Studiengebühren

Ebenfalls beschlossen wurde die Abschaffung der Studiengebühren. SPÖ, Grüne und FPÖ stimmten dem Antrag zu. Das jugendliche Publikum auf der Zuschauer-Tribüne im Parlament begrüßte den Beschluss mit "standing ovations" und tosendem Applaus.

Künftig müssen nur noch Studenten, die pro Studienabschnitt um mehr als zwei Semester im Rückstand sind, und Nicht-EU-Bürger bezahlen.

Außerdem wurde das Ende der Zugangsbeschränkungen für die Fächer Publizistik, Betriebswirtschaftslehre, Biologie und Pharmazie beschlossen. Sie gelten künftig nur noch in den drei Medizinstudien sowie bei der Psychologie. Gleichzeitig sollen die Unis mehr finanzielle Mittel erhalten, um ein größeres Studienplatzangebot vor allem in den Medizin-Studien anbieten zu können.

Die ÖVP wandte sich in der Debatte vehement gegen die Abschaffung der Studiengebühren. Wissenschaftsminister Johannes Hahn warnte vor einem Qualitäts-Verlust in der Hochschulausbildung. Die ÖVP beantragte eine Volksabstimmung zu den Studiengebühren, was jedoch keine Mehrheit fand.

13. Familienbeihilfe eingeführt

Kurz vor Mitternacht passierte dann auch noch die 13. Familienbeihilfe den Nationalrat. Alle Parteien stimmten dafür, dass die Leistung nun 13 Mal jährlich - zusätzlich im September - ausbezahlt wird. Für das heurige Jahr wird die Zahlung rückwirkend geleistet.

Angenommen wurde dabei der Antrag der ÖVP, der inhaltlich identisch mit jenem der SPÖ war. Die Opposition kritisierte, dass die Noch-Koalitionspartner nicht in der Lage gewesen seien, einen gemeinsamen Antrag zustandezubringen.

Pensionen werden um 3,4 Prozent erhöht

Eine einstimmige Mehrheit hat auch das rot-blaue Pensionspaket erhalten. Die Pensionen werden damit im kommenden Jahr um 3,4 Prozent erhöht und die Senioren werden eine Einmalzahlung zwischen 50 und 150 Euro erhalten.

Demnach werden die Renten bereits ab November dieses Jahres gemäß dem Pensionistenpreisindex von 3,4 Prozent angepasst. Die nach der allgemeinen Inflation gesetzlich notwendige Erhöhung hätte nur 3,2 Prozent betragen.

Hinzu kommt noch eine gestaffelte Einmalzahlung im Gesamtwert von 183 Millionen Euro, die Pensionisten mit einem Bezug bis zu 2.800 Euro erhalten. Pensionsbezieher mit einem Gesamtrenteneinkommen bis zu 747 Euro sollen eine Einmalzahlung in Höhe von 20 Prozent der Leistung erhalten. Bei Einkommen darüber bis zu 1.000 Euro sollen es 150 Euro sein. Je höher die Pension, umso geringer fällt dann prozentuell die Einmalzahlung aus. Bis 2.000 Euro gibt es ein lineares Absinken auf 50 Euro. Bei diesen 50 Euro bleibt es bis zu jenen 2.800 Euro, ab denen es nur noch die normale Anpassung gibt.

Außerdem wurde ein Heizkostenzuschuss für Senioren beschlossen: Bezieher von Ausgleichszulagen sollen von Oktober bis April 30 Euro monatlich erhalten.

Ein weiteres Zuckerl für die Pensionisten ist die komplette Abschaffung der Wartefrist. Bisher gab es die erste Pensionserhöhung erst im übernächsten Jahr nach dem Ruhestandsantritt.

Hacklerregelung verlängert, aber Abstimmungspanne

Abgesegnet wurde ferner die Verlängerung der Hacklerregelung. Jene Langzeitversichertenregel, die es ermöglicht, als Frau mit 55 und als Mann mit 60 nach 40 bzw. 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in den Ruhestand zu treten, gilt nun bis 2013. Bisher hätte sie 2010 auslaufen sollen.

Bei der Hacklerregelung kam es aber zu einer Abstimmungspanne: Es wurden zwei sich teilweise widersprechende Anträge angenommen.

Die Abstimmungen (die Anträge samt Abstimmungs-Ergebnissen finden Sie hier) im Nationalrat begannen erst am Abend und dauerten bis vier Uhr früh des nächsten Tages. Am Vormittag hatten alle Fraktionen die Fernseh-Liveübertragung zu Wahlkampfreden in eigener Sache und heftigen Angriffen auf die Konkurrenz genutzt.

(Ag./Red.)

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