Türöffner für die Rechten in Europa

Haider brachte Wien Sanktionen und ein bis heute schwieriges Verhältnis zur EU.

BRÜSSEL. Es half alles nichts: Am 4. Februar 2000 machten die damals 14 EU-Partner Österreichs ernst. Sie alle beschlossen (offiziell bilaterale) Sanktionen gegen die österreichische Regierung – weil Jörg Haiders FPÖ unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) daran beteiligt sein sollte. Zu weit rechts, zu populistisch, zu europakritisch sei Haider, so hieß es unter den Staats- und Regierungschefs von Lissabon, der Hauptstadt des damaligen EU-Vorsitzlandes, über Brüssel bis Berlin: Er oder seine Partei sei in einer europäischen Regierung nicht akzeptabel. Dabei hatte Haider extra Susanne Riess-Passer als FPÖ-Vizekanzlerin Platz gemacht und eine europafreundliche Deklaration zum Start der Regierung unterzeichnet.

Manche vertraten die Sanktionen offensiv wie die Belgier („Geht nicht mehr Ski fahren in Österreich“), andere taten es beinahe verschämt wie die Deutschen, denen bei der politischen und wirtschaftlichen Isolation des traditionell „guten Nachbarn“ offenbar nicht ganz wohl war. Doch es war beschlossen: Österreichische Regierungsvertreter wurden von der Vorbereitung von EU-Treffen de facto ausgeschlossen. Von den Räten selbst wollte und konnte man sie zwar nicht ausladen, zu sagen würden sie aber nichts haben, so lautete der Tenor. Die außenpolitische Eiszeit für Österreich hatte begonnen, der größte internationale Tiefschlag in der Zweiten Republik.

Was hatte die EU-Partner so aufgeregt? Jörg Haider, das Enfant terrible vom rechten Rand des politischen Spektrums, das sogar die „ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“ gelobt hatte und in den USA oder Israel in die Nähe von Hitler gerückt wurde: Mit ihm würden die Rechten in Europa salonfähig werden, so tönte es von London über Paris bis nach Rom. Dem müsse ein Riegel vorgeschoben werden – durch Isolation. Mit dieser war Österreich dann bis zum 12. September 2000, bis zu einem „Weisenbericht“ dreier Experten samt Exit-Strategie, konfrontiert.

Die Geschichte gibt den Mahnern des Jahres 2000 von EU-Präsident António Guterres bis zur EU-Kommission zumindest teilweise recht: Rechte EU-Kritiker erlebten einen Aufschwung. Und nie wieder hat es einen solchen Wirbel um ihre Regierungsbeteiligung, etwa von Silvio Berlusconis Forza Italia, gegeben wie seinerzeit bei der FPÖ. Es ist „normal“ geworden in der EU. Die Neuauflage von Schwarz-Blau 2003 war in Brüssel kein Thema mehr.

Nationalismus vor Integration

Das Verhältnis Wiens zur EU blieb allerdings angespannt: Die Sanktionen hatten das „Wir sind wir“-Gefühl unter den Österreichern nur gestärkt, „Brüssel“ ist vielen noch heute fern und suspekt. Österreich solle selbstbestimmt bleiben, mit solchen Parolen schärften FPÖ und BZÖ ihre EU-kritische Linie. SPÖ-Chef Werner Faymann hat sich dieser zuletzt wohl nicht zufällig angenähert. Mit Haiders Tod mag Europas Rechte ihren umstrittensten und erfolgreichsten „Sprecher“ verloren haben. Seine Botschaft – Nationalismus vor Integration – sitzt tief und wird den BZÖ-Politiker noch lang überleben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2008)

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