1927 – 2008: Helmut Zilk, der erste "Talkmaster"

Helmut Zilk
Helmut Zilk(c) APA (Helmut Fohringer)
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Zur Wiener SPÖ hielt Zilk stets Distanz, für die Bürger spielte er Ombudsmann. Das Fernsehen war sein Medium: Schulfunk, „Stadtgespräche“, TV-Programmdirektor.

"The Show must go on!" Aufmunternde Worte hatte Helmut Zilk selbst im Krankenhaus noch auf Lager. Seit seiner Herzoperation mit Komplikationen musste er sich mehrmals pro Woche der Blutwäsche unterziehen. Die Dialyse schwächte ihn zusehends. Nun ist die Show zu Ende. Helmut Zilk ist tot. Er wurde 81 Jahre alt.

Sonntag, 5. Dezember 1993. In Wien war seit Tagen eine mysteriöse Attentatsserie Stadtgespräch: Offensichtlich Irre versandten raffinierte Briefbomben. Die Polizei hatte keine Anhaltspunkt. Als Absender fungierte eine „Bajuwarische Befreiungsarmee BBA“. In Österreich herrscht Ausnahmezustand.

Wiens Bürgermeister öffnet daheim in der Naglergasse Dienstpost. Es ist 20.30 Uhr. In der rechten Hand hält er ein mittelgroßes Kuvert, mit der Linken reißt er es auf. Ein ohrenbetäubender Knall, dann ist es ganz ruhig. Ehefrau Dagmar Koller eilt herbei – Helmut Zilk fuchtelt mit der linken Hand, aber da ist nur noch ein blutiger Fleischklumpen. Das Blut spritzt in einer Fontäne pulsierend auf den Teppich.

Die Wucht der Explosion hatte Zilk mehrere Finger weggefetzt, zwei Liter Blut hat er verloren. Es begann ein Kampf um das Leben des Politikers, der erst in den Morgenstunden gewonnen wurde. Vier Stunden dauerte die Notoperation im AKH. Der Ringfinger und der kleine Finger konnten gerettet werden, der Rest blieb ein Klumpen, den Zilk seitdem zeitlebens mit einer Art Handschuh verbarg. Die bange Sorge der Menschen damals, ob der Mann das politische Attentat überleben werde, bewies, welche Popularität Zilk schon damals genoss. Zu vergleichen nur mit Bruno Kreisky und Jörg Haider.

Das Amt als Bürgermeister hat er nicht angestrebt. Es war ja auch schon das vierte Leben dieses Paradiesvogels. Geboren im Jahr des Justizpalast-Brandes 1927, Studium der Pädagogik, Philosophie, Psychologie und Germanistik in Wien, 1955 Promotion. Dann noch die Lehramtsprüfung. Der Professor war bald die Seele des neuen Schulfernsehens. So kam er zum Rundfunk – und blieb. Die TV-„Stadtgespräche“ machten ihn zu einer bekannten Figur: Er war eigentlich der ersten „Talkmaster“.

Der Freimaurer legte nie Wert auf eine solide Verankerung in der SPÖ. Er schätzte mehr die Medien-Profis, selbst wenn die „heimatlose Rechte“ waren. Wie etwa Gerd Bacher. So holte der neue ORF-Generalintendant seinen Freund Zilk als Fernsehdirektor. „In eigener Sache“ avancierte zur Kult-Sendung.

Als Bacher 1974 von der SPÖ gestürzt wurde, stand Zilk mit 47 Jahren als gut abgesicherter Frührentner da. Gefeuert aus der größten Medienorgel des Landes, heuerte er einfach bei der zweitgrößen an – bei der „Krone“ des Hans Dichand – als Ombudsmann.

Nun blieb auch Zeit, Dagmar Koller zu ehelichen. Trauzeuge war Bürgermeister Leopold Gratz. Der bot Zilk das Kulturressort an – doch das gelang erst nach wütenden Protesten aus der SPÖ-Basis.

Als Stadtrat rührte er kräftig in der Wiener Kulturszene um. Er parlierte mit der Moderne, respektierte aber auch das Altvertraute. So wuchs er langsam, ohne das zu planen, in die Rolle des Gratz-Kronprinzen hinein.

Ein kleiner Umweg war noch zu nehmen: Im Mai 1983 holte ihn Bundeskanzler Sinowatz als Unterrichtsminister. Lorin Maazel wurde als Operndirektor nach Wien engagiert, Claus Peymann als Chef der „Burg“ aus Bochum.

Ein Jahr später dann rief aber doch das Rathaus. Gratz ging, Zilk kam – und wurde der wahrscheinlich populärste Stadtvater, den Wien je gehabt hat.

Was bleibt? Das Albertina-Denkmal des Alfred Hrdlicka, das Haas-Haus des Hans Hollein, die verhundertwasserte Müllverbrennung Spittelau, das Arik-Brauer-Haus, das Hundertwasser-Haus, das Wiener Jüdische Museum, die Rettungsaktion für den Stephansdom – all das war Zilk'sche Alleinregie. Ebenso der erstmals funktionierende Bürgerdienst; sein Festhalten an dem „Nestbeschmutzer“ Claus Peymann, seine Unterstützung der linken Kulturstadträtin Ursula Pasterk; seine Idee, den sommerlichen Rathausplatz allabendlich mit Opernkino und Freßstraßen zu beleben – alles „original Zilk“. Sein Bekenntnis als Katholik trug er nicht vor sich her, aber er hat schon als Unterrichtsminister viele Initiativen für den konfessionellen Religionsunterricht gesetzt. Der Verein "Rettet den Stephansdom" ist ebenfalls eine Gründung des damaligen Bürgermeisters.

Für so manch anderes konnte er in Wahrheit nichts. Daß heute Beiseln und Schanigärten sprießen, wäre auch ohne ihn so gekommen. Dennoch: Die Ehrenbürgerschaft seiner geliebten Stadt im Jahre 1995 hat er sich redlich verdient. 1,7 Mill. Bürger zählte Wien zu seiner Zeit. Mit ca. einer Million dürfte er per Du gewesen sein. Ein „Lebenskünstler“. So hieß – nicht zufällig – seine letzte TV-Serie, die ihn am Leben hielt, als er schon schwer krank war.

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