Plassnik konnte EU-Linie nicht folgen

(c) APA (Georg Hochmuth)
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Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP) wird der kommenden Regierung nicht mehr angehören. Sie ist mit dem EU-Kompromiss zwischen SPÖ und ÖVP nicht einverstanden.

Paukenschlag gemeinsam mit der Koalitionseinigung am Sonntagnachmittag: Außenministerin Ursula Plassnik wird nicht mehr der kommenden Regierung angehören. Damit zieht die ÖVP-Ministerin Konsequenzen aus der SPÖ-ÖVP-Einigung bezüglich der EU-Passage im künftigen Regierungsprogramm. SPÖ und ÖVP verpflichten sich, den Vertrag von Lissabon rasch umzusetzen, beide Parteien wollen künftig für europaweite Volksabstimmungen eintreten, österreichische Abstimmungen zu EU-Themen sollen aber unter bestimmten Umständen – Zustimmung beider Regierungsparteien – möglich sein .
Aber die neue Bundesregierung steht. Um 17.30 Uhr traten SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann und der designierte ÖVP-Obmann Josef Pröll vor die Medien. Beide betonten die Einigkeit und das künftige geschlossene Auftreten. „Wir werden uns nicht an einer gegenseitigen Lähmung ergötzen“, sagt Pröll. Der bereits seit einigen Tagen kolportierte Tausch zweier Ministerien ist nun auch offiziell: Die SPÖ erhält das Gesundheitsministerium von der ÖVP und gibt im Gegenzug das Justizministerium an die ÖVP ab. Ob die Führung von Justiz- und Innenministerium in der Hand einer Partei nicht bedenklich sei? „Nein“, antwortete Faymann, „es ist eine gemeinsame Regierung, und ich bin für beide Hälften zuständig.“
Faymann betonte zudem, dass er nicht von seiner Linie bei Volksabstimmungen über EU-Verträge (Faymann-Gusenbauer-Brief an die „Kronen Zeitung“) abgerückt sei. Es darf bei diesem EU-Thema zwar nicht der Koalitionspartner überstimmt werden – das ist laut Regierungsvertrag ein Koalitionsbruch –, aber er hoffe, in diesem Fall den Partner für eine derartige Abstimmung zu überzeugen.

„Für anderen Weg entschieden“


Josef Pröll bedauerte das Ausscheiden Ursula Plassniks. „Ich habe sie gebeten, im Team zu bleiben, aber sie hat sich für einen anderen Weg entschieden.“ Die Betroffene selbst betonte mit hörbar angegriffener Stimme bei der Pressekonferenz, dass sie der Regierung alles Gute wünsche, dass sie aber mit der nunmehr fixierten Formulierung nicht mitgehen konnte. Plassnik wollte eine „Klarheit“ schaffen, etwa in einer Formulierung, derzufolge EU-Vertragsänderungen auf parlamentarischem Wege zu entscheiden sind – und eben nicht über Volksabstimmungen.

Damit werden mit Plassnik, Wilhelm Molterer (er gab seinen Rückzug aus der Regierung am Freitag bekannt), Martin Bartenstein und Andrea Kdolsky vier ÖVP-Minister aus der Regierung ausscheiden. Er habe seine neue Ministerliste „im Kopf“, erklärte Pröll, aber er habe noch nicht alle Wunschkandidaten befragt. Auch Faymann wollte seine Ministerriege nicht bekannt geben. Das werde er am Montag im SPÖ-Präsidium und im Parteivorstand machen. Sicher ist jedenfalls, dass die neue Regierung zwei Staatssekretäre weniger aufweisen werde. Ob das die ganze von ihm angekündigte Regierungsverkleinerung sei? „Das ist eine Einsparung von zehn Prozent“, sagt Faymann. Und dieses Ziel sollte – budgetär – auch bei der Verwaltungsreform erreicht werden.

Die Angelobung der neuen Regierung soll Anfang kommender Woche erfolgen. Josef Pröll will zuvor beim ÖVP-Parteitag am Freitag seine Wahl zum Bundesparteiobmann abwarten. Für Faymann liegt das „Herzstück“ der künftigen Regierungsarbeit bei den Bereichen Konjunktur, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Konkurrenzfähigkeit Österreichs und bei den Investitionen in Bildung und Forschung. Josef Pröll nennt die Bewältigung der gegenwärtigen Krise als sein oberstes Ziel.

FPÖ: „Schmierentheater“


Für FPÖ-Chef Heinz Christian Strache ist die SPÖ-ÖVP-Einigung ein „Schmierentheater“. Die lange Verhandlungsdauer sei eine Farce, weil das Ergebnis der Koalitionsgespräche schon längst festgestanden sei. BZÖ-Klubobmann Josef Bucher vermisst bei den Sozialdemokraten jedes staatspolitische Interesse, ihr und dem „Linkspopulisten“ Faymann gehe es nur um den eigenen Machterhalt. Der Katholische Familienverband warnte am Sonntag davor, auf die Einrichtung eines eigenen Familienministeriums zu verzichten. Sollte nur ein Staatssekretär diesen Bereich wahrnehmen, wäre dies ein „gesellschaftspolitisches Fiasko“.

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