Strafgesetzbuch: Verhetzung liegt künftig schneller vor

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Regierungsentwurf beinhaltet viele Neuerungen. Der Landfriedensbruch wird abgemildert. Mit einer Zahlung soll man sich selbst manch Geschworenenprozess ersparen können.

Wien. Das Strafgesetzbuch wird runderneuert. Der nun der „Presse“ vorliegende Gesetzesentwurf von Justizminister Wolfgang Brandstetter (die Eckpunkte wurden bereits in der Montag-Ausgabe aufgelistet) sieht neue Tatbestände, aber auch neue Regeln für die Diversion und die Strafbemessung vor. Die Koalition legt nun noch letzte Hand an, nächste Woche soll der Entwurf in Begutachtung gehen. Die Details:


•Schwere gemeinschaftliche Gewalt: Der Landfriedensbruch (§274) verschwindet als Wort aus dem Gesetz. Stattdessen ist vom Tatbestand der „schweren gemeinschaftlichen Gewalt“ die Rede. Eine leichte Körperverletzung oder selbst schwere Sachbeschädigungen, die von der Masse gewollt initiiert wurden, sollen in der Regel nicht mehr zu einer Verurteilung nach diesem Paragrafen führen. Weiterhin anwendbar bleibt die Norm aber bei Sachbeschädigungen an besonders wichtigen Gütern (etwa öffentlichem Verkehr oder Wasserversorgung).

Die Neuerung betrifft Personen, die an der ausufernden Versammlung teilnehmen. Der unmittelbare Täter einer Körperverletzung oder Sachbeschädigung ist (auch) nach dem für diese Delikte vorgesehenen Paragrafen direkt zu bestrafen.

•Strengere Regeln bei Verhetzung: Bisher war Verhetzung strafbar, wenn die Äußerungen eine „breite Öffentlichkeit“ (rund 150 Personen) erreichten. Laut dem Gesetzesentwurf ist die öffentliche Hetze künftig bereits strafbar, wenn sie „vielen Menschen zugänglich wird“. Darunter werden nur noch rund 30 Personen verstanden. Die Strafbarkeit ist also rascher erfüllt.

Neu ist auch, dass man nicht gegen jemanden wegen „der vorhandenen oder fehlenden Staatsangehörigkeit“ hetzen darf. Bisher stellte das Gesetz zwar etwa auf „Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung“ ab, aber nicht explizit auf einen Herkunftsstaat. Die Verhetzung (§ 283) ist künftig auch schon erfüllt, wenn man „zu Hass“ gegen eine geschützte Gruppe aufstachelt. Und nicht wie bisher bei Aufrufen „zu Gewalt“. Die Strafe bleibt mit bis zu zwei Jahren Haft gleich. Sie wird aber auf bis zu drei Jahre erhöht, wenn man die Tat etwa durch den Einsatz von Medien so begeht, dass sie einer „breiten Öffentlichkeit zugänglich wird“. Oder wenn der Aufruf tatsächlich zu Gewalt führt (mit bis zu fünf Jahren).

•Zwangsheirat-Paragraf: Neu ist ein eigener Tatbestand Zwangsheirat (§ 106a), die Strafdrohung beträgt bis zu fünf Jahre. Diese Neuerung ist kosmetischer Natur. Schon bisher stand die Zwangsheirat – auch mit dieser Strafe – im Gesetz. Sie war Teil des §106 StGB, der Varianten schwerer Nötigung aufzählt.

•Neues Sexualdelikt: Bis zu zwei Jahre Haft drohen nach dem neuen §205a, wenn jemand mit einer Person den Beischlaf ohne Einverständnis vollzieht. Oder wenn er das Einverständnis „durch Ausnützung einer Zwangslage oder Einschüchterung erlangt hat“. Der Tatbestand führt eine Zwischenstufe zwischen der sexuellen Belästigung (mit bis zu sechs Monaten Haft) und der geschlechtlichen Nötigung (mit bis zu fünf Jahren Haft) ein.

•Cybermobbing: Wer via Internet jemanden massiv in der Ehre kränkt oder Bilder aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich eines anderen preisgibt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.


•Neue Ausdrücke, neue Strafen: Aus der (straferhöhenden) Gewerbsmäßigkeit (etwa bei Diebstahl) wird die berufsmäßige Begehung: Darunter kann nur noch fallen, wer in „den letzten zwölf Monaten vor der Tat zumindest zwei solche Taten begangen hat“. Für die Gewerbsmäßigkeit konnte schon die erste Tat ausreichen. Auch der Begriff der groben Fahrlässigkeit wird gesetzlich erstmals definiert.

Vermögensdelikte werden geringer bestraft: Die (straferhöhenden) Wertgrenzen steigen von 3000 auf 5000 und von 50.000 auf 300.000 Euro. Der umstrittene Untreue-Paragraf soll sonst aber gleich bleiben.

Körperverletzung wird strenger geahndet. So ist die schwere Körperverletzung künftig statt mit bis zu drei Jahren mit bis zu fünf Jahren Haft zu bestrafen – und mit mindestens sechs Monaten Haft.

• Geldbuße statt Geschworenengericht: Auch Delikte, die in schöffen- bzw. geschworenengerichtliche Zuständigkeit fallen (aber mit unter fünf Jahren Strafe bedroht sind), sollen diversionell erledigt werden können. Darunter fiele etwa der räuberische Diebstahl. Der Staatsanwalt klagt bei einer Diversion nicht an, der Beschuldigte zahlt dafür an den Staat oder erhält Auflagen (aber keine Vorstrafe).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2015)

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