Causa Buwog: Der Gejagte bittet die Jäger um Hilfe

Karl-Heinz Grasser
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Karl-Heinz Grasser startet eine Gegenoffensive. Er verlangt von Justizminister Brandstetter eine Weisung: Bankmanager sollen als Zeugen befragt werden.

Die Fronten sind klar abgesteckt. Auf der einen Seite: zwei hohe Ankläger der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Diese leiten beharrlich die Ermittlungen gegen Karl-Heinz Grasser. Auf der anderen Seite: der Beschuldigte, von 2000 bis 2007 Österreichs Finanzminister, seit bald sechs Jahren in Abwehrstellung gegen diverse Korruptionsvorwürfe. Besonders oft genannt wird die Buwog-Privatisierung 2003. Ein Teil der Provision soll auf ein Konto geflossen sein, das die Ermittler Grasser zurechnen. Laut „Presse“-Informationen liegt seit vorigem Jahr ein (noch nicht genehmigter) Anklageentwurf vor. Hauptdelikte: Untreue, Geschenkannahme. Dieser Entwurf umfasst auch die – ebenfalls von Korruptionsvorwürfen begleitete – Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower.

Doch sind die Fronten wirklich so klar? Anscheinend nicht – angesichts eines ungewöhnlichen Schrittes, den Grasser nun setzt: Der Ex-Politiker ruft ausgerechnet den obersten Chef der ermittelnden Oberstaatsanwälte, ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter, zu Hilfe. Grasser beantragt eine Weisung. Das liest sich in dem der „Presse“ exklusiv vorliegenden Papier („Aufsichtsbeschwerde“) so: „Ich stelle den Antrag, der Bundesminister für Justiz [...] möge die Korruptionsstaatsanwaltschaft [...] per Weisung dazu verpflichten, meinem Beweisantrag Folge zu leisten.“

Grasser beantragt eine Brandstetter-Weisung - Auszug aus der betreffenden Aufsichtsbeschwerde
Grasser beantragt eine Brandstetter-Weisung - Auszug aus der betreffenden Aufsichtsbeschwerde

Beweisantrag? Was will Grasser? Ganz einfach. Er möchte die Einvernahme von Zeugen erwirken. Und nennt dabei nicht weniger als 44 Personen. Das Thema der Befragung ist für alle drei gegen Grasser laufenden Strafverfahren (siehe Grafik) essenziell. Bei den 44 Personen handelt es sich um Manager der Hypo Investment Bank AG Liechtenstein (HIB). Diese sollen sagen, ob das Konto 400.815 tatsächlich Grasser zuzurechnen ist – jenes ominöse Konto, auf das nach Ermittlermeinung illegalerweise Teile von Provisionen aus Privatisierungen geflossen sind. Eröffnet wurde es von dem Lobbyisten und Grasser-Freund Walter Meischberger (auch gegen ihn wird ermittelt). Grasser scheint in den Bankunterlagen nicht auf. Weil er „Verschleierungshandlungen“ gesetzt habe, so die Ankläger in ihrer der „Presse“ ebenfalls vorliegenden Stellungnahme. Aber er sei dennoch „wirtschaftlich berechtigt“ gewesen. Und: Man könne ihm das Konto „faktisch zuordnen“. All das meinen die Ankläger. Klare Beweise haben sie nicht.

>>> Interaktive Grafik: Die Causa Grasser

Grasser wiederum: Die WKStA habe „das Objektivitätsgebot in eklatanter Weise verletzt“. Man wird sehen, ob Brandstetter bzw. die Verantwortlichen seines Hauses dies ebenso sehen. Und wirklich Weisung erteilen.
Tatsache ist aber, das sich ein Gericht schon gegen diese Zeugeneinvernahme ausgesprochen hat. Argument: Selbst wenn die Manager im Sinn Grassers aussagten, so würde dies nicht die Behauptung widerlegen, dass der Ex-Finanzminister „verdeckt im Hintergrund wirtschaftlich berechtigt gewesen sei“.

Aus Sicht des Beschuldigten und dessen Anwalts Manfred Ainedter ist dieser neue Vorstoß nachvollziehbar. Kein anderer Politiker Österreichs ist in so viele Strafverfahren verstrickt. Buwog, Terminal Tower, Novomatic, Post-Privatisierung: In all diesen Strafverfahren soll Grasser eine zentrale Rolle spielen. Dazu kommt ein Finanzstrafverfahren wegen Steuerhinterziehung. Quasi die Begleitmusik spielt eine Reihe von Zivilverfahren, die Grasser zum Teil selbst angestrengt hat.

Hat er nun Teile der wiederholt geflossenen Provisionen kassiert (in Sachen Buwog sollen es exakt 2.446.481 Euro gewesen sein)? Hatte er schon, als er seinen Job als Finanzminister antrat, einen „Tatplan“ in der Tasche, wie Ermittler seit Jahren annehmen? Oder will eine fehlgeleitete (Polit-)Justiz einfach „den Kopf des Grasser“, wie dieser in einem „Presse“-Interview sagte.
Am Anfang stand jedenfalls „Kommissar Zufall“: Als der Manager Christian Thornton im Sommer 2009 bei einem Verhör im Zuge der Immofinanz-Affäre (eines ebenfalls noch nicht abgeschlossenen Wirtschaftskrimis) von einer 9,61-Millionen-Euro-Provision an eine zypriotische Firma Astropolis des PR-Profis Peter Hochegger erzählte, staunten die Ermittler nicht schlecht. Ihre Augen wurden noch größer, als Thornton erklärte, es habe sich um ein Erfolgshonorar für Hochegger und Meischberger gehandelt – für deren Vermittlung beim Verkauf der Bundeswohnungen (Buwog) an die Immofinanz. Diese stach den Konkurrenzbieter CA Immo nur um 1,2 Millionen aus. Und das bei einem Kaufpreis von 961,2 Millionen Euro. Als auch noch herauskam, dass Hochegger und Meischberger „vergaßen“, die Provision zu versteuern, und nachträglich Selbstanzeige erstatteten, war die Causa Buwog geboren.

Auf einmal erschienen die Auswahl der Investmentbank Lehman für den Buwog-Deal im Jahr 2002, die Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower 2005/06, die von der Novomatic gewünschte, aber gescheiterte Änderung des Glücksspielgesetzes 2006 und die ebenfalls 2006 erfolgte Post-Privatisierung in einem anderen Licht. Zumal immer wieder dieselben Personen auftauchten: Grasser, Meischberger, Hochegger und Immobilienmakler Ernst Karl Plech.

Trotz allem: Die sogenannte Smoking Gun, also ein eindeutiger Beweis, der die Anklagen wasserdicht machen könnte, existiert nicht.
Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

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