Studie: Mehr Geld bringt nicht mehr Kinder

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Der Steuervergleich der OECD zeigt: Rein monetäre Anreize zur Familienbildung haben isoliert keinen Einfluss auf die Geburtenraten. Funktionieren können sie nur im Paket.

Wien. Es ist eine der großen Fragen unserer Zeit: Wie können die entwickelten Staaten ihre oft viel zu niedrigen Geburtenraten wieder in die Höhe bringen? Denn wenn unter den Bürgern keine Bereitschaft besteht, fehlende Kinder durch mehr Zuwanderung auszugleichen, schrumpft die Bevölkerung – womit auch alle schönen Pläne für mehr Wachstum und Wohlstand kaum mehr zu realisieren sind.

So klar dieser Befund ist, so umstritten ist die Therapie: Kann der Staat die Entscheidung zum Kinderkriegen durch Anreize steuern? Und wenn ja: Soll er vor allem monetäre Anreize bieten – weniger Steuer, mehr Transfers –, oder soll er sich auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konzentrieren? Die Empfehlung der Experten geht meist stärker in die zweite Richtung: mehr Kindergarten- und Krippenplätze, flexible Arbeitsmodelle, Karenz für Väter. Mehr Geld in der Tasche hingegen – etwa durch Steuerfreibeträge und Kindergeld – wird meist nur als Ergänzung gesehen, die im Paket funktionieren kann, aber nicht isoliert.

Zu verlockender Vergleich

Für diese Einschätzung bieten aktuelle Daten der OECD eine umfangreiche Basis. Eigentlich geht es im jährlichen Report „Taxing Wages“ um die Steuer- und Abgabenlast auf Arbeitseinkommen. Aber der Thinktank der 34 am höchsten entwickelten Staaten differenziert dabei auch nach den Steuerquoten für kinderlose Singles, Paare ohne Nachwuchs und Familien mit zwei Kindern (wobei deren Beihilfen abgezogen werden). Damit kann man die Industrieländer nach der Stärke des monetären Anreizes zum Kinderkriegen reihen und die Entwicklung seit 2000 verfolgen. Was wiederum dazu verlockt, diese Daten den Geburtenraten und ihrer Entwicklung gegenüberzustellen.
Wissenschaftlich sauber ist das natürlich nicht. Denn gerade bei einem so sensiblen Thema wie der individuellen Lebensplanung gibt es sehr viele Einflussfaktoren – neben harten Fakten wie der Zahl der Betreuungsplätze auch so schwer wägbare wie Mentalität und Akzeptanz von berufstätigen Müttern.

Schon eher zulässig ist aber das Ausschlussprinzip: In dem ganzen Datenkonvolut findet sich kein Hinweis, dass rein monetäre Anreize isoliert betrachtet funktionieren, also von allein die Geburtenrate in die Höhe treiben. Und das lässt dann doch den Schluss zu, dass hier das Heil nicht zu finden ist.

Am Beispiel Österreich: Hierzulande liegt der fiskalische Vorteil für Paare mit Kindern über dem OECD-Mittel. Bei den Ersparnissen für Familien, in denen beide Elternpaare berufstätig sind, liegt Österreich sogar fast an der Spitze. Dennoch ist die Geburtenrate mit 1,44 Kindern pro Frau sehr niedrig und hat sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten nur leicht nach oben bewegt. In Deutschland ist sie auf ähnlich niedrigem Niveau stagniert – und auch der große Nachbar nimmt sehr viel Geld für die direkte finanzielle Unterstützung von Familien in die Hand.

Slowenien als Vorbild

Wirklich signifikant – um plus 0,3 bis 0,4 Kinder pro Frau – stiegen die Geburtenraten seit 2000 nur in vier OECD-Ländern an: in Schweden, Slowenien, Tschechien und Großbritannien. Am Geld lag es offenbar nicht: In Schweden und UK sind diese Anreize schwach ausgeprägt und in diesem Zeitraum leicht gesunken. In Slowenien und Tschechien sind sie zwar traditionell hoch, aber gerade in diesen beiden Ländern wurden sie deutlich zurückgeschraubt. Ein Blick auf die eigentliche OECD-Studie zum Thema Familienpolitik („Doing better for families“ von 2011) zeigt etwa für Slowenien andere potenzielle Faktoren: ein besonders hoher Anteil von Vätern, die in Karenz gehen, eine hohe Beschäftigungsquote von Frauen und geringe Einkommensdifferenzen zwischen den Geschlechtern.

Letztes Beispiel Frankreich: Auch im Musterland der Familienpolitik ist die monetäre Unterstützung einer Zwei-Kind-Familie weniger hoch als vielfach angenommen – und seit 2000 gesunken. Die ohnehin schon hohe Geburtenrate ist dennoch weiter leicht gestiegen.
Auch der internationale Trend geht stärker in Richtung bessere Kinderbetreuung – und diese Richtung könnte stimmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2015)

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