Wie in der SPÖ die Personaldebatte weiter brodelt

PVOe-BUNDESKONFERENZ: BLECHA
PVOe-BUNDESKONFERENZ: BLECHAAPA/HERBERT NEUBAUER
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Der frühere Innenminister Karl Blecha deutet Zweifel am Parteichef an – und macht wenig später einen Rückzieher. Die Partei reagiert mit demonstrativer Gelassenheit.

Wien. Ist Werner Faymann der Richtige an der Spitze der SPÖ? Die Frage darf in der Partei nicht offen gestellt werden – und brodelt doch beständig unter der Oberfläche. Offene Kritik kommt bestenfalls von Funktionären der zweiten Ebene – am prominentesten ist da der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, der die parteikritische Plattform Kompass initiiert hat.

Um so auffälliger, wenn einer aus der ersten Reihe Zweifel an der Führungskompetenz des Parteichefs zumindest anklingen lässt: Der frühere Innenminister Karl Blecha, heute Präsident des Pensionistenverbandes und einer der Koordinatoren des neuen Parteiprogramms, hat in einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“ eine politische Renaissance der Partei angekündigt: Die derzeitige Partei, ihre Strukturen und ihr Bild in der Öffentlichkeit werde Geschichte sein. Ob die SPÖ aktuell die Spitze habe, um die Partei in die Zukunft zu führen? Blecha: „Es braucht eine programmatische Neuaufstellung der Partei. Und dann wird sich zeigen, welches Personal an der Spitze der Partei notwendig sein wird.“

Es ist nicht anzunehmen, dass jemand, der wie Blecha seit mehr als 40 Jahren in der Spitzenpolitik tätig ist, nicht weiß, wie derartige Aussagen in der Öffentlichkeit interpretiert werden: als klares Misstrauensvotum für den derzeitigen Parteichef. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass Blecha diese Aussagen einfach „passiert“ sind.

Am Freitag, nach Erscheinen des Interviews, hat er aber zurückgerudert. Er stehe voll hinter dem SPÖ-Vorsitzenden, ließ Blecha über den SPÖ-Pressedienst aussenden. „Wir diskutieren über Inhalte und Strukturreformen, nicht über Personen. Sehr wohl wird aber auch darüber nachgedacht, mit welchen Anforderungen das politische Personal künftig konfrontiert sein wird“, so die nachträgliche Interpretation.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder, selbst immer wieder als potenzieller Faymann-Nachfolger gehandelt, weiß schon, wie man mit derartigen Kommentaren umgeht: mit demonstrativer Gelassenheit, um der Kritik nicht noch zusätzliche Bedeutung zu verleihen. Schieder meinte, zu einem lebendigen politischen Leben gehöre Kritik eben dazu. Und empfahl, sich auf Inhalte zu konzentrieren.

Eine offene Revolte gegen den Parteichef gibt es in der SPÖ-Zentrale also nicht. Noch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2015)

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