SPÖ für Zaun, FPÖ dagegen: Wenn die Grenzen verschwimmen

Zwischen Italien und Österreich (und zwischen Premier Renzi und Kanzler Faymann) soll ein Zaun stehen.
Zwischen Italien und Österreich (und zwischen Premier Renzi und Kanzler Faymann) soll ein Zaun stehen.(c) REUTERS (ALESSANDRO BIANCHI)
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Die FPÖ ist vom Brenner-Zaun wenig begeistert, die SPÖ forciert ihn. In der Asylpolitik gibt es ungewöhnliche Allianzen – über Partei- und Landesgrenzen hinweg.

Viel Verständnis hat Johanna Mikl-Leitner nicht: Die Südtiroler wollen keinen Zaun am Brenner? Dann sollen sie, meint die Innenministerin, eben Druck auf Rom ausüben. Damit Italien endlich seine Küsten im Süden stärker bewache.

Bedenken, ihre Pläne zur Sicherung der Südgrenze umzusetzen, hat Mikl-Leitner nicht. Auch wenn die ÖVP-Politikerin damit ihre Kollegen aus der Schwesterpartei südlich des Brenners, der Südtiroler Volkspartei, verärgert: Am Dienstag verkündete die Ministerin massive Kontrollen an zwölf Grenzübergängen. Südtirols Landeshauptmann, Arno Kompatscher, bezeichnete die Errichtung eines Zauns als „enormen Rückschritt“.

Spätestens seit Herbst vergangenen Jahres ist aber klar: In der Flüchtlingskrise können ungewöhnliche Allianzen entstehen. Gleichzeitig zeigen sich tiefe Gräben, wo man sie auf den ersten Blick nicht vermutet hätte. Vor allem in Deutschland: Dort distanziert sich CSU-Chef Horst Seehofer seit Monaten von der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Unterstützung erhielt die Konservative ausgerechnet von einem Sozialdemokraten: dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann. Der SPÖ-Chef hat mittlerweile allerdings die Seiten gewechselt.

„Kein Hauptanliegen der Freiheitlichen“

Bleiben wir aber beim Beispiel Brenner: Unterstützung, wenn auch nur eine sanfte, bekommen die Südtiroler hier von der FPÖ. Für die Freiheitlichen ist das Thema ein zweischneidiges Schwert. Einerseits plädiert die Partei seit Monaten dafür, die Grenzen dichtzumachen. Andererseits will sie die deutschsprachigen Südtiroler nicht vor den Kopf stoßen.

Der Kompromiss hört sich dann folgendermaßen an: „Wir sind ganz klar für Grenzkontrollen“, heißt es im Büro von Parteichef Heinz-Christian Strache. Von einem Grenzzaun am Brenner halte man allerdings wenig. „Wir werden sehen, wie sich die Lage weiterentwickelt.“ Und der blaue Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer sagte gegenüber dem Südtiroler Onlineportal Salto: „Ein Grenzzaun am Brenner ist sicherlich kein Hauptanliegen der FPÖ. Für uns ist Südtirol schließlich nichts Fremdes, sondern gehört zur Heimat.“

Die Freiheitlichen sind skeptisch – dafür forciert wiederum die SPÖ die Grenzzaun-Pläne: „Wir können die Hauptlast der Asylströme nicht ein zweites Jahr tragen“, sagte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. Striktere Grenzkontrollen, tägliche Obergrenze, ein Maximalwert von 37.500 Asylanträgen in diesem Jahr – all das ist für die rote Parteispitze kein Problem mehr. „Es ist keine einfache Aufgabe, aber eine notwendige“, betont Kanzler Faymann immer wieder.

Vergangene Woche reiste der SPÖ-Chef nach Rom, um Italiens Premier, Matteo Renzi, zu treffen. Laut Faymann war es zwar ein „sehr freundschaftliches“ Gespräch. Dem Amtskollegen der Demokratischen Partei richtete er aber dennoch aus, dass er Österreich schützen müsse – „auch wenn Italien damit keine Freude hat“. Renzi konterte gegenüber dem österreichischen Sozialdemokraten: „Der Brenner kann nicht nur als Tunnel betrachtet werden, den wir mit Enthusiasmus finanzieren.“ Der ausländerfeindlichen Partei Lega Nord war dies nicht Gegenwind genug. Der Fraktionschef im Senat, Gianmarco Centinaio, reagierte gewohnt angriffig und überraschend ehrlich: „Wäre ich Österreicher, wäre ich mit den Anti-Migranten-Sperren einverstanden, als Italiener bin ich es nicht.“

Assistenzeinsatz in Tirol?

Was genau am Brenner nun geplant wird, soll am Mittwoch feststehen: Laut „Tiroler Tageszeitung“ will die Landespolizeidirektion kommende Woche ihr Konzept dem Innenministerium vorstellen. Ein Teil der Grenzsicherung soll ein Zaun sein, 350 Polizisten würden mindestens gebraucht. „Zudem haben wir mit Militärkommandant Herbert Bauer über einen allfälligen Assistenzeinsatz gesprochen“, erklärte Landespolizeidirektor Helmut Tomac. Nun will sich auch der Verteidigungsminister ein Bild der Lage machen: Heute, Freitag, besucht Doskozil Tirol, um Landeshauptmann Günther Platter zu treffen. Der ÖVP-Politiker begrüßt die Zaunpläne ausdrücklich. Eine weitere Allianz also.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2016)

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