Die Stadtregierung führt für Asylwerber einen Bildungspass mit Pflichtkursen über z. B. Werte unserer Gesellschaft inklusive Sanktionen ein. Das soll die Integration beschleunigen.
Wien. Das Thema Flüchtlinge dominierte wie erwartet die Klausur der Stadtregierung: Bürgermeister Michael Häupl, Sozialstadträtin Sonja Wehsely und Grünen-Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou präsentierten am Dienstag Maßnahmen.
Im Zentrum steht ein Bildungspass, den jeder Flüchtling bis Ende des Jahres bekommen soll. „Integrationsarbeit von der ersten Stunde an“, formulierte das Häupl. Der Pass beinhaltet nicht nur (Pflicht-)Deutschkurse, sondern auch Pflichtkurse, um die Regeln des Zusammenlebens zu lernen. Hier werden Asylwerbern z. B. die Position von Frauen in unserer Gesellschaft und Kinderrechte vermittelt. „Nämlich“, so Häupl, „dass Frauen selbstbestimmt sind und es eine Schulpflicht gibt.“ Es gehe „gar nicht, dass ein Junge die Anordnungen einer Lehrerin verweigert, weil sie eine Frau ist.“
Bündelung von Maßnahmen
Konkret bündelt der Bildungspass bestehende Integrationsmaßnahmen wie z. B. Deutschkurse bereits während des Asylverfahrens, regelt aber auch Konsequenzen bei Verstößen. Die Details:
Nach der Zuweisung zum Asylverfahren werden Flüchtlinge im Rahmen des bestehenden „StartWien“-Programms für Zuwanderer zum Erstgespräch eingeladen und erhalten einen Bildungspass. Dann folgt die Zuweisung zu muttersprachlichen Kursen, in denen Grundsätzliches aus den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wohnen, Soziales und Zusammenleben vermittelt wird. Danach folgt die sogenannte Bildungsdrehscheibe bei den Wiener Volkshochschulen mit Basis-Bildungsangeboten, Deutschkursen etc.
Die Teilnahme an den Kursen im Bildungspass ist für Flüchtlinge verpflichtend und die Voraussetzung für eine Monatskarte der Wiener Linien. Details zu den Monatskarten muss Wien mit dem Innenministerium aber noch verhandeln. Wehsely schlägt vor, dass es für Flüchtlinge einen Selbstbehalt von zehn Prozent ihres Taschengeldes (das sind vier Euro pro Monat) gibt. Wer gegen Auflagen verstößt, verliert als Sanktion seine Monatskarte. Über die Kosten für die Stadt konnte Wehsely noch nichts sagen, da man noch mit dem Ministerium verhandelt.
Während des Asylverfahrens sollen auch die Fortschritte bei der Integration durch die Bildungsdrehscheibe erhoben werden, die unter anderem die Vermittlung in gemeinnützige Beschäftigungs- und Weiterbildungsangebote, Bewerbungstrainings etc. enthält. Diese Fortschritte werden im Bildungspass eingetragen, der bei einem positiven Asylbescheid an das Arbeitsmarktservice (AMS) übergeben wird – womit das AMS vollen Überblick über die Fähigkeiten des anerkannten Flüchtlings erhält, da der Bildungspass auch einen vorgeschriebenen „Qualifikationscheck“, also die Prüfung der beruflichen Qualifikation von Flüchtlingen, beinhaltet. „Ein ausgebildeter Arzt muss kein Taxifahrer sein“, formulierte Häupl, der betonte: Mit dem Bildungspass gebe es nun keinen Unterschied mehr zwischen Flüchtlingen und den Fragen der Integration (die normalerweise erst nach positivem Abschluss des Asylverfahrens anstehen). Für den grünen Koalitionspartner lobte Maria Vassilakou die Arbeitssitzung als „wahrscheinlich die beste gemeinsame Klausur, die wir je hatten“. Nachsatz: „Bis Ende des Jahres wird es in Wien keinen Flüchtling geben, der nicht in Betreuung ist.“
Derzeit befinden sich 21.100 Flüchtlinge in Wien in Grundversorgung. „Das ist kein Notstand“, so Häupl. Allerdings konnte die Stadtregierung nicht sagen, wie viele Flüchtlinge im Zuge des Flüchtlingsansturms dauerhaft nach Wien gekommen sind. Wer einen positiven Asylbescheid besitzt, ist österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, weshalb der Wohnort nicht erhoben wird.
„Kein griechischer Weg“
Jedenfalls stellte Häupl, ebenso wie Wehsely und Vassilakou, klar: Der Bund müsse Wien bei der Finanzierung unterstützen. „Denn ich bin kein Anhänger des griechischen Weges . . .“, so Häupl, der sich in diesem Moment kurz unterbrach, zu seiner griechischstämmigen Vizebürgermeisterin blickte und fortsetzte: „Entschuldige bitte, . . . dass man nicht fremdbestimmt ist.“
Zur Sicherung der EU-Außengrenze meinte Häupl, der nebenbei Pläne zur Reduzierung der Mindestsicherung als verfassungswidrig bezeichnete: „Wir (Rot-Grün, Anm.) haben keine rasend großen Unterschiede bei der Frage: Was machen wir bei unserer Grenze, wenn die EU-Lösung nicht funktioniert.“ (stu)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2016)