Rot-schwarze Klubchefs gegen Kerns Rundumschlag

SITZUNG ARBEITSGRUPPE VERWALTUNGSREFORM: LOPATKA/SCHIEDER
SITZUNG ARBEITSGRUPPE VERWALTUNGSREFORM: LOPATKA/SCHIEDERAPA/ROLAND SCHLAGER
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SPÖ-Fraktionschef Schieder und ÖVP-Pendant Lopatka sehen sich bei der Arbeit im Parlament von der Kanzlerabrechnung nicht betroffen. Mancher Mandatar ist anderer Meinung.

Wien. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat es eilig, um rechtzeitig zur Debatte über den neuen Budgetpfad der rot-schwarzen Regierung bis 2020 auf der Regierungsbank zu sein. Davor haben sich Abgeordnete der Regierungs- und der Oppositionsparteien in einer Europastunde gierig auf das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP gestürzt. Eine Gelegenheit für alle, verbal die Klinge zu kreuzen. Parlamentsalltag am Mittwoch im Hohen Haus. Es ist an diesem Tag nur Nebenbühne angesichts der Einigung über die Heta-Bad-Bank und die Angelobung des neuen SPÖ-Regierungsteams ist.

„Schauspiel der Machtbesessenheit“ – wie mit einem scharfen Schwert hat der neue Bundeskanzler und designierte SPÖ-Vorsitzende, Christian Kern, nicht einmal 24 Stunden davor bei seinem ersten Medienauftritt nach der Kür in den Parteigremien mit Worten eine Trennlinie zum bisherigen Wirken der SPÖ-ÖVP-Regierung gezogen. Die Klubobleute von Rot und Schwarz, Andreas Schieder und Reinhold Lopatka, haben diesen Rundumschlag des Regierungschefs zwar überstanden. Aber ohne Wirkung sind dessen Hiebe nicht geblieben.

Warnung für Lopatka

Bemerkenswert ist, dass die beiden getrennt voneinander, aber wie im Duett, im Gespräch mit der „Presse“ zurückweisen, dass die Abreibung auch ihnen als Lenker der Koalition im Parlament gegolten habe. Die parlamentarische Arbeit funktioniere gut, versichern beide mit Nachdruck.

Ob er denn ebenfalls ein „Schauspieler der Machtbesessenheit“ sei? Schieder überlegt kurz, ob er überhaupt darauf antworten soll, und tut es dann am Rand der Plenarsitzung doch: „Man kann jedes Wort verdrehen. Aber ich sehe mich nicht als Teil dieses Systems.“ Nicht die parlamentarische Arbeit, sondern die öffentlichen Kommentare seien von Kern gemeint gewesen, lautet die Interpretation des SPÖ-Klubchefs. Er lässt keinen Zweifel daran, dass das auf sein ÖVP-Gegenüber, Lopatka, gemünzt war: „Wenn er sich einbremst, wird's wieder besser.“

„Da braucht's keinen Neustart“

Lopatka, der Kerns Werken als ÖBB-Chef angesichts von Milliardenzuschüssen für die Bundesbahnen ungeschminkt kritisiert hat, hat sich selbst für diesen Tag ein „Schweigegebot“ auferlegt. Aber schließlich bricht es im Gleichklang mit seinem Pendant Schieder aus ihm heraus: „Mit Kollegen Schieder hat es auf parlamentarischer Ebene nie Probleme gegeben.“ Trotzig setzt Lopatka in Richtung Kern nach: „Da braucht's keinen Neustart.“

Der ÖVP-Klubchef hat zuletzt nicht nur die harte Schelte Kerns aushalten müssen. Dessen Worte vom „Selbstmordattentäter in der Telefonzelle“ werden so gesehen. Schlimmer war ein öffentliches Zurückpfeifen von Vizekanzler und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner, der sich schon am Dienstag „Querschüsse“ zum Start mit dem neuen Bundeskanzler und SPÖ-Chef verbeten hat. Gleichzeitig wird in den Couloirs der ÖVP-Reihen geraunt, das sei auch die letzte Chance für Mitterlehner, mit dem neuen roten Regierungschef SPÖ und ÖVP vor einem Denkzettel der Wähler wie bei der Bundespräsidentenwahl zu bewahren. Die Antwort könne nur das rasche Umsetzen einiger im Koalitionsgetriebe stecken gebliebener Projekte sein.

Im schwarzen Klub haben sowohl der Parteichef als auch Lopatka mit ihrer Position Anhänger, wie leicht zu erfahren ist. Unter den schwarzen Abgeordneten gibt es erfahrene, die die Rempler des ÖVP-Klubchefs gegen Kern gar nicht goutiert haben. Sie befürchten, dass die Koalition so bald im alten Trott des von der Bevölkerung verhassten Streitens lande.

Ärger über den Ex-ÖBB-Chef

Es gibt jedoch auch ÖVP-Mandatare, denen „die Selbstbeweihräucherung“ des ÖBB-Chefs mit dem Steuergeld der privaten Unternehmer gehörig gegen den Strich geht. Sie ernten dafür ebenfalls Zuspruch im ÖVP-Klub.

Bei der Klubsitzung stand freilich ein später Abschied im Zentrum. Der am 24. April gestrafte ÖVP-Hofburg-Kandidat und Hobbygärtner Andreas Khol wird mit einer „Khol-Rose“ beschenkt.

In der SPÖ-Klubsitzung hat ebenfalls einer Abschied genommen: Für Minister Josef Ostermayer, engsten Vertrauten von Ex-Bundeskanzler Werner Faymann, gibt es anhaltenden Applaus. Kanzler Kern wird ebenso mit vielen Ovationen von der roten Fraktion empfangen. Ein solches rituelles Schauspiel sorgt bei manchem SPÖ-Mandatar für Nachdenklichkeit hinsichtlich Härte und Opportunismus bei Politikern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2016)

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