"Phänomen Fake News ist nicht allein durch Strafkultur zu lösen"

Symbolbild: Fake News
Symbolbild: Fake Newsimago/Christian Ohde
  • Drucken

SPÖ-Staatssekretärin Duzdar fordert eine "gesellschaftliche Debatte" über Falschmeldungen im Internet. ÖVP-Mediensprecher Amon schlägt eine parlamentarische Enquete zu dem Thema vor.

Die Diskussion über „Fake News“, also Falschmeldungen im Internet, mit denen Nutzer in die Irre geführt werden, hat auch die österreichische Innenpolitik erreicht. Nach dem in Deutschland, wo nächstes Jahr Parlamentswahlen stattfinden, ein „Abwehrzentrum gegen Falschinformation“ im Gespräch ist und in Tschechien mit 1. Jänner eine „Antidesinformationsstelle" ihre Arbeit aufnimmt, wollen sich nun auch SPÖ und ÖVP dem Thema widmen. Geht es nach ÖVP-Generalsekretär und Mediensprecher Werner Amon, sollen sich Experten in Form einer parlamentarischen Enquete damit befassen. Denn, es gehe nicht um Meinungsvielfalt, sondern um Desinformation - „das hat man bisher nur Geheimdiensten zugeschrieben“. Wenn aber mittels falscher Informationen Entscheidungsprozesse beeinflusst werden, „muss man sich überlegen, wie man damit umgeht“.

Ob die FPÖ mit ihren Kontakten nach Moskau auf derartige Unterstützung in künftigen Wahlkämpfen setzt, könne man „nicht ausschließen", meinte Amon auf Nachfrage. Einmal mehr kritisierte er die „fragwürdige außenpolitische Linie" der FPÖ. In Tschechien gehen die Behörden laut einem „Guardian"-Bericht übrigens von rund 40 Webseiten aus, die von Russland aus betrieben werden und gezielt falsche Informationen und Verschwörungstheorien verbreiten.

Mehr Sensibilisierung gefordert

Die SPÖ-Staatssekretärin im Bundeskanzleramt, Muna Duzdar, forderte indes eine „gesellschaftliche Debatte“ und will Netzwerke wie Facebook in die Pflicht nehmen: „Im Bezug auf Falschmeldungen geht es mir darum, auf die Verantwortung von Plattformbetreibern hinzuweisen - wenn eine Nachricht verbreitet wird, sollte der Wahrheitsgehalt überprüft werden.“ Das gleiche gelte auch für die Nutzer. „Wir brauchen ein Bewusstsein für Themen wie Quellenkritik und Umgang mit Falschnachrichten", so Duzdar. Generell werde das Phänomen der Falschmeldungen aber „nicht allein durch eine Strafkultur zu lösen“ sein, verwies sie darauf, dass der Paragraf „Verbreitung falscher Gerüchte" Ende 2015 abgeschafft wurde. Dieser sei totes Recht gewesen, 20 Jahre lang habe es keine Verurteilung gegeben.

Experten sehen die Vorschläge kritisch: Dass Facebook selbst den Wahrheitsgehalt von geteilten Inhalten überprüfen soll, sorgt etwa bei Mimikama, ein Verein, der selbst Fake News aufspürt, für Kopfschütteln. „Es ist aus mehreren Gründen kaum möglich, die Flut an Inhalten auf Facebook zu prüfen", sagte Andre Wolf von Mimikama. Falschnachrichten mit einem einfachen „Fake" zu kennzeichnen, funktioniere nicht. „Das ist Wunschdenken. Subjektive Wiedergaben, redaktionelle Bearbeitungen, Thesen oder Interpretationen kann man nicht markieren und ich glaube, an diesem Punkt liegen wir mit den Erwartungen auch falsch." Im Höchstfall könnten auch Satireartikel wie von „Die Tagespresse" oder „Der Postillon" ungewollt einer Markierung zum Opfer fallen. Anstatt Artikel als „falsch" oder „richtig" zu katalogisieren, müsse man sie analysieren.

Die Social-Media-Beraterin Judith Denkmayr bewertet die Ankündigung von Facebook, Fakenews-Seiten von Werbeeinnahmen auszuschließen, als sinnvoll. Denn: „Damit setzten sie bei einer der stärksten Motivationen für Fake News an." In der Gesellschaft werde es „mehr Bildung in dem Bereich brauchen, mehr Sensibilisierung, aber ob es Gesetze brauchen wird, da bin ich ehrlich gesagt unschlüssig“.

Mimikama: Keine Zunahme an Fake News

Mimikama konnte übrigens keine Zunahme an Fake News in letzter Zeit erkennen, auch nicht während der Bundespräsidentenwahl. In Wahlkampfzeiten seien Politiker aber natürlich eine Zielscheibe für gefälschte Nachrichten, so Wolf. Das Dilemma: „Selbst wenn Parteien untereinander ein Abkommen schließen, nicht mit Falschmeldungen den Wahlkampf zu bestreiten, so ist das lediglich ein Versprechen auf der Sonnenseite des Wahlkampfes. Anonyme oder fanatische Accountinhaber tangiert das nicht und somit können allerlei wilde Behauptungen in den Raum gestellt werden." Für Wolf geben Fake News auch Einblick, was die Leute gerade bewegt: „Ein Fake richtet sich nach den Ängsten einer Gesellschaft. Eine Falschmeldung fällt immer da auf fruchtbaren Boden, wo diese als wahr angesehen wird."

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Strache: "Regierung produziert selbst 'Fake News'"
Politik

Strache: "Regierung produziert selbst 'Fake News'"

Der FPÖ-Chef sieht die Debatte um Falschmeldungen im Internet anders als die Regierung: "Kritische Medien" seien ein Segen.
PERU-APEC-SUMMIT
Der Mediator

Wer kontrolliert, was Facebook löscht?

Die Große Koalition in Berlin will hohe Geldstrafen für soziale Plattformen einführen, die Fake News und klagbares Material nicht rasch genug von ihren Internetseiten entfernen. Doch solche Großkonzerne wollen selbst die Regeln bestimmen.
Tech-News

Facebook will in Deutschland gegen Fake-News vorgehen

Facebook zieht im Kampf gegen Falschmeldungen das deutsche Recherche-Portal Correctiv zu Rate. User sollen künftig Fake-News markieren können.
Internet

Fake News: Europa sucht nach der Wahrheit

EU-Kommissionspräsident Juncker will prüfen, ob Google, Facebook und Co. entschieden genug gegen Falschmeldungen vorgehen. In Deutschland wird über schärfere Strafen nachgedacht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.