Heinz Fischer, der Wohlfühl-Präsident

(c) APA (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Heinz Fischer ist heute für seine zweite Amtszeit angelobt worden. Die Hofburg steht seit seinem Amtsantritt allen offen, der Präsident ist volksnäher und sparsamer. Allerdings scheut Fischer vor klaren Ansagen zurück.

Wien. Heinz Fischer ist am Donnerstag zum zweiten Mal vor der Bundesversammlung gestanden, um sich im Reichsratssitzungssaal zum Bundespräsidenten angeloben zu lassen.

Was hat der 71-Jährige in seiner ersten sechsjährigen Amtszeit geboten? „Die Presse“ geht den positiven und den negativen Seiten des Staatsoberhaupts auf den Grund.

Pluspunkte des Präsidenten

• Ungewohnte Volksnähe. Eine Eigenschaft unterschied Fischer von Anfang an gravierend von seinen Vorgängern: Er ist – betont – volksnah. Was seine Sicherheitsleute zuweilen ins Schwitzen bringt. Ob auf der Alm, beim Jazzkonzert oder beim Feuerwehrfest: Fischer hält die Menschen nicht auf Distanz.

• Offene Hofburg.
Ungewöhnlich ist auch, dass sich der Bundespräsident nicht nur unter die Bürger mischt, er holt sie sich auch ins Haus, und zwar nicht nur zu speziellen Anlässen: Einmal im Jahr zum Nationalfeiertag steht die Hofburg allen offen, die kommen wollen. Und das sind viele. Heinz Fischer ist beim unverdrossenen Dauer-Händeschütteln wahrlich nicht zu beneiden. Er bricht auch mit der Tradition, dass ein Staatsoberhaupt nur Ansprachen im Fernsehen hält, stellt sich bereitwillig Journalistenfragen in der ORF-„Pressestunde“ und gibt auch kritischen Medien Interviews.

• Diplomatischer Türöffner. Heinz Fischer ist ein äußerst diplomatischer Geist, was ihm ein Großteil der Österreicher zu danken scheint. Die Politikerhitparaden führt er allemal mit Abstand an. Aber auch die Wirtschaftsbosse wissen Fischers konsensorientierte Art zu schätzen. Im Gefolge von Staatsbesuchen – vor allem in Asien – kann das für die künftige Auftragslage von größtem Vorteil sein.

• Sparsamer Geist.
Heinz Fischer hat den Steuerzahler von einem unangenehmen Problem erlöst: Indem er seine Josefstädter Wohnung auch als Bundespräsident nicht aufgab, machte er eine teure Renovierung der heruntergekommenen Präsidentenvilla auf der Hohen Warte obsolet. Das Grundstück wurde gewinnbringend verkauft, das Haus abgerissen. Dafür behielt Fischer das Jagdschlösschen im steirischen Mürzsteg. Schließlich braucht auch Österreich einen Ort, an dem Staatsgäste in privaterem Rahmen empfangen werden können.


• Aufrechte Haltung. Den umstrittenen EU-Vertrag von Lissabon unterschrieb Fischer ohne zu zögern. Er trotzte damit nicht nur dem Druck der „Kronen Zeitung“. Der Bundespräsident ließ sich auch vom EU-Brief des scheidenden Bundeskanzlers und SPÖ-Chefs Alfred Gusenbauer und seines Nachfolgers Werner Faymann nicht beeindrucken.

Minuspunkte des Präsidenten

• Meister im Unverbindlichen. Klare Worte fand Heinz Fischer selten. Der Bundespräsident beherrscht die Sprache der Diplomatie. Das macht ihn weniger angreifbar – andererseits verabsäumt er es dadurch auch, sein politisches Gewicht dort in die Waagschale zu werfen, wo es notwendig wäre. Ein typisches Beispiel: Die kürzlich erhobene Forderung, „saure Wiesen trockenzulegen“: Mit diesem vom früheren Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger abgekupferten Zitat kann sich wohl jeder identifizieren – und niemand braucht sich betroffen zu fühlen.


• Problemfall Ortstafeln. Notwendig gewesen wäre ein energischeres Auftreten des Präsidenten beispielsweise bei der Frage der zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten. Da werden Urteile des Verfassungsgerichtshofs seit Jahren konsequent ignoriert, der VfGH mit Aktionen wie dem lustigen Ortstafel-Verrücken verhöhnt. Für die Umsetzung der VfGH-Erkenntnisse ist der Präsident formal zuständig – ohne allerdings wirkliche Mittel dafür in der Hand zu haben. Etwas mehr als mahnende Worte wären aber doch möglich gewesen.


• Problemfall Bundesheer. Der Bundespräsident ist Oberbefehlshaber des Bundesheers, was allerdings eher eine formale Funktion ohne echte Befehlsgewalt ist. Trotzdem wäre es eine Aufgabe des Präsidenten, das Wort zu ergreifen, wenn das Bundesheer aufgrund von Budgetkürzungen Gefahr läuft, seine Aufgaben nicht mehr erfüllen zu können. Genau das ist aber derzeit der Fall, warnen hochrangige Offiziere des Bundesheers – darunter sogar die Spitze des Generalstabs.


• Immer noch Parteipolitiker. Mit Antritt seiner ersten Amtszeit vor sechs Jahren hat Heinz Fischer seine Mitgliedschaft in der SPÖ „ruhend gestellt“. Er wollte – ohne seine Gesinnung abzulegen – ein Präsident sein, der über den Parteien steht. In der Praxis hat Fischer dann aber doch immer wieder für die Position der Sozialdemokratie Stellung bezogen, kritisieren viele. So etwa mit seinem Wunsch nach der Einführung der Gesamtschule oder nach einer höheren Vermögenssteuer. Der umgekehrte Fall, eine Stellungnahme, die von der Position der SPÖ abweicht, ist dagegen nicht überliefert.


• Fan der Großen Koalition.
Ausgenutzt hat Heinz Fischer seinen politischen Handlungsspielraum bei den beiden Regierungsbildungen in den Jahren 2006 und 2008 – und zwar beide Male, indem er seinem favorisierten Regierungsmodell einer Großen Koalition zum Durchbruch verhalf. 2006, als die Verhandlungen zwischen Alfred Gusenbauer und Wolfgang Schüssel stockten, zwang er die beiden wieder an einen Tisch, zu einem „Sechs-Augen-Gespräch“ in seiner Wohnung in der Josefstadt. Fischer ist damit auch für Stillstand und ewigen Streit in der Großen Koalition mitverantwortlich, meinen viele.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 8. Juli 2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Innenpolitik

Hamann: "Habsburger wollen ja nicht Kaiser sein"

Habsburger sollen ruhig für das Präsidentenamt kandidieren dürfen, findet Historikerin und Habsburger-Expertin Brigitte Hamann im Interview. Doch die Zeit sei reif für eine Frau im höchsten Amt des Staates.
Innenpolitik

Hamann: "Habsburger wollen ja nicht Kaiser sein"

Habsburger sollen ruhig für das Präsidentenamt kandidieren dürfen, findet Historikerin und Habsburger-Expertin Brigitte Hamann im Interview. Doch die Zeit sei reif für eine Frau im höchsten Amt des Staates.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.