Die hohe Kunst des Ethno-Marketings

hohe Kunst EthnoMarketings
hohe Kunst EthnoMarketings(c) AP (Frank Augstein)
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Mit gezielter Werbung lassen sich Migranten in Österreich zum Konsum animieren. Zum Erfolg gehört hingegen eine umfassende Kenntnis der Zuwanderergruppen, sonst kann ein Slogan gehörig danebengehen.

Wien. „Frag doch den Inder!“, heißt der scherzhaft gemeinte und mittlerweile allseits bekannte Werbespruch eines Mobilfunkanbieters. „Frag doch den Türken, den Serben und am besten auch noch den Russen!“, denken sich aber zunehmend die Werber selbst. Denn 1,468Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben in Österreich. Eine Gruppe, die es als Werbekunden zu gewinnen gilt. „Ethno-Marketing“ nennt sich das Zauberwort dahinter. Doch in der Praxis gestaltet sich das Feilschen um die Gunst recht schwierig. „Den Migranten“ schlechthin gibt es schließlich nicht, und jede ethnische Gruppe will spezifisch umworben sein.

Erfolg bei allen Generationen

Doch der Aufwand lohnt sich: Eine österreichische Bank entwarf sogar eine eigene Werbelinie, um serbisch- und kroatischstämmige Jugendliche anzusprechen. „Die Kampagne ist bei den Jugendlichen aus dem ehemaligen Jugoslawien mit toller Resonanz angekommen“, erklärt Viktoriya Zipper, die mit ihrer Firma Victory Cross Culture Consulting auf interkulturelle Fragen spezialisiert ist. Leute aus dem ehemaligen Jugoslawien würden überdies (im Gegensatz zur individualistischen Gesellschaft in Österreich) sehr im Kollektiv agieren. Das habe zur Folge gehabt, dass nicht nur die Jugendlichen, sondern auch sehr bald ihre Eltern und sonstige Angehörigen zu der besagten Bank gewechselt seien.

Doch es gibt auch Negativbeispiele: So kam die Werbekampagne für einen Internetzugang bei den rund 300.000 russischsprachigen Personen in Österreich nicht gut an. „Der Slogan beinhaltete ein Hauptwort, welches auf Russisch ein Schimpfwort bedeutet“, berichtet Zipper. Viele aus der russischsprachigen Gemeinde hätten darüber gelacht, so Zipper, Die Folge: Wenngleich das Angebot preislich eines der besten für Internetzugänge gewesen sei, habe niemand aus der russischen Community dieses gewählt, sagt die Expertin. „Im schlimmsten Fall sind 300.000Verträge mit Privatkunden wegen diesem kleinen Wortspielfehler verloren gegangen“, meint Zipper, deren Muttersprache selbst Russisch ist. Sie ist eine in der Mongolei geborene Ukrainerin, die seit neun Jahren in Wien wohnt.

Und es gibt noch ganz andere Fehler, die man beim Ethno-Marketing nicht machen darf: „Man muss streng zwischen Stereotypen über ein Volk und tatsächlichen Wertvorstellungen unterscheiden“, meint Zipper. Um einen türkischen Migranten in Österreich zu verstehen, dürfe man etwa nicht das Bild eines Wochenmarktes in Istanbul vor sich haben. Das Lebensgefühl von türkischen Migranten in Österreich sei nämlich bereits ein anderes: „Man lernt ja in seiner neuen Heimat auch etwas von der neuen Kultur – und es bleibt immer ein Teil von der ursprünglichen Kultur.“

Hang zu Statussymbolen

Die Bedürfnisse der zwischen den Kulturen lebenden Migranten zu erkennen, gehöre „zur Kunst des Ethno-Marketings“, analysiert die Ukrainerin. Doch so unterschiedlich die Migranten auch sein mögen, eines haben die wichtigsten Migrantengruppen (Türken, Serben, Russischsprachige etc.) gemeinsam: Sie zeichnen sich durch einen Hang zu Statussymbolen und ein ausgeprägtes Markenbewusstein aus, weiß Zipper. Dazu passt auch das Ergebnis einer Studie, die Meinungsforscher Peter Hajek im Auftrag der Migrantenzeitung „Biber“ gemacht hat: Demnach haben 61Prozent der in Wien wohnhaften Migranten beim Geldausgeben richtig Spaß.

Politik wirbt fremdsprachig

Aber nicht nur die Wirtschaft, auch die Politik wirbt mit eigenen Mitteln um die Stimmen eingebürgerter Migranten: SPÖ und Grüne setzten etwa bei der letzten Nationalratswahl fremdsprachige Werbemittel und Inserate (Türkisch/Serbisch/Kroatisch/Bosnisch) ein. Man stieß dabei allerdings auf gewisse Schwierigkeiten: So fand die SPÖ in den Fremdsprachen einfach keinen passenden Ausdruck für das Wort „Hacklerregelung“. Die Sozialdemokraten verwendeten daher auch bei den Inseraten für Migranten schließlich den deutschsprachigen Politikerjargon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2010)

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