Erinnerungen: Es war einmal beim Militär ...

Erinnerungen einmal beim Militaer
Erinnerungen einmal beim Militaer(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Das Ende der Wehrpflicht war noch nie so nahe wie jetzt. Ein Grund zur Freude für kommende Generationen? Die "Presse am Sonntag" hat mehrere Autoren gebeten, sich an ihren Präsenzdienst zu erinnern.

Es war nicht alles schlecht. Wer seinen Präsenzdienst abgeleistet hat, blickt auf ihn meist nicht nur ausschließlich positiv oder ausschließlich negativ zurück. Sinnlos, ja, aber auch voller Anekdoten, so fasst etwa Schriftsteller Peter Rosei seine Zeit beim Militär zusammen. Ex-Skispringer und Trainer Toni Innauer denkt vor allem an viel Spaß zurück. Und Autor Gustav Ernst hält dem Wehrdienst nicht zur zugute, dass er dort das Bettenmachen gelernt hat.

Doch bei allen spannenden Erlebnissen, die Journalist Johann Skocek auch hatte – eine Abschaffung der Wehrpflicht würde ihn absolut nicht stören. Sechs Autoren über Bundesheer, Zivildienst und das Lügen bei der Gewissensprüfung.

Toni Innauer: Versehentlich befördert

Mein Präsenzdienst fiel in die Gründerzeit der Heeressport- und Nahkampfschule (HSNS), einer Sondereinheit für die Förderung von Spitzensportlern. Wir, ein bunt gemischtes Sportlerrudel aus Skispringern und -fahrern, rückten in die Jägerschule Saalfelden zum Grundwehrdienst ein. Am ersten Tag fielen unter großem Hallo die jahrelang gepflegten und geföhnten Haare wie bei einem neuseeländischen Schafschurwettbewerb. Beim erstmaligen Exerzieren schaute ich abwechselnd in die kahl geschorenen Nacken von Hubert Neuper, Claus Tuchscherer, Erwin Resch oder Harti Weirather. Sehr oft, wenn einer das zackige Kommando des Ausbildners wieder falsch interpretiert hatte, auch in deren überraschte und mit höchster Konzentration das Lachen verbeißende Gesichter. Wer die Kontrolle verlor, musste „pumpen“: Liegestütze abliefern. Unser Zug brachte es am ersten Abend auf geschätzte 970 Stück.

Wir lernten nicht nur „rrrrechts uuumm und stillgestanden!“, sondern auch andere, nicht zu unterschätzende Kulturtechniken: Wer selbst Nachwuchs hat und sich nur kurz die Unordnung in den Kinderzimmern vor Augen hält, sieht die Präzision beim Bettenmachen und Spindeinräumen mit der Zeit in einem anderen Licht. Auf dem Kasernenhof und nach tagelangem Drill brannten wir den (in Salzburg) berühmten „Rainermarsch“ für den Rest unseres Lebens und ohne Rücksicht auf steirische, Tiroler oder Vorarlberger Herkunft in unsere Köpfe. 30 Jahre nach meiner Grundausbildung erkannte ich – verblüffenderweise – die Melodie bei einer Jungbürgerfeier in Riefensberg im Bregenzerwald trotz völlig veränderten Texts wieder.

Von unseren Schießübungen, mit insgesamt 18 km langem Hin-und Retourmarsch, ist mir weniger das Trefferbild als ein fünf Kilo schwerer Stein in Erinnerung. Hubert Neuper hatte ihn am Abend unserem Zimmerkameraden Harti Weirather ins Marschgepäck geschmuggelt und ihn mit Genuss am Schießplatz aus dessen Rucksack gezaubert. Beim Auspacken in der Kaserne entdeckte der völlig erschöpfte und gerade noch gut gelaunte Hupo den Stein in seinem eigenen Rucksack – der ihm auf dem Rückweg schon ein wenig schwer erschienen war.


Saftige zehn Wochen. Nach zehn Wochen saftiger Grundausbildung kamen wir in den, damals noch neuen, Genuss der staatlichen Spitzensportförderung, die über die Infrastruktur des Heeres organisiert wurde, bezogen ein kleines Gehalt, waren versichert und oft für den Sport dienstfrei gestellt. Dieses Pilotprojekt wurde bis in die Gegenwart verfeinert und zu modernen Heeresleistungszentren ausgebaut, die heute das Rückgrat der „Spitzenportnation Österreich“ bilden. Meine persönliche Soldatenlaufbahn endete übrigens ein Jahr nach dem Eintritt mit dem versehentlich verliehenen Titel eines Gefreiten*, während meine Kollegen Armin Kogler und Hubert Neuper sogar zu Berufspiloten ausgebildet wurden.
*Militärkommandant Emil Spannocchi beförderte Hubert und mich nach einer gewonnenen „Dalli-Dalli-Sendung“ irrtümlich zu „Gefreiten“, obwohl wir noch in der Grundausbildung standen.

Gustav Ernst: Sommerfrische beim Heer

An den Sommer 1964, den ich bei der Truppenübungsplatz-Kompanie in Allentsteig verbrachte, erinnere ich mich immer noch gern.

Eingerückt bin ich, ein halbes Jahr nach meiner Matura, am 1. oder 2. Jänner, nach Krems, grauenhaft früh am Morgen eines saukalten Tages, sehe mich stehen im Kasernenhof, verdutzt über das mir kasperltheaterartig erscheinende Gebrüll, Herumgerenne und Geschimpfe der Vorgesetzten, bezog Quartier in einem 20-Betten-Zimmer, lernte in meiner Ausbildung zum Panzergrenadier Betten machen, marschieren, schießen, Gang aufwaschen, und war plötzlich, nach sechs Wochen, als Maturant zu etwas Höherem bestimmt: Mein Zwei- bis Drei-Finger-Schreibmaschineschreibsystem hatte ich beim Gedichteschreiben gelernt, Rudimentär-Steno in der Schule, das reichte damals für eine Kanzleiausbildung in Mautern.

Nichts Böses geschah mit mir in diesen ersten drei Monaten. Und nichts Nennenswertes hatte ich, damals noch unpolitisch, anzumerken. Sportlich, spielerisch erledigte ich nach Regeln, die mir, uns allen fremd waren, das Nötige, trank Cola-Rum, ließ mich anbrüllen und hatte es lustig, ehe wir nach Allentsteig abkommandiert wurden, und ich in einer der ebenerdigen Holzbaracken eine eigene Kanzlei erhielt: die Standesführung, zuständig für die Personalkarteien.

Der Frühling kam und der Sommer. Während die anderen hauptsächlich Wache schoben, zu Geländeübungen ausrückten, saß ich, vor mir die Sommerwiese, bei offenem Fenster hinter der heereseigenen Schreibmaschine und schrieb auf heereseigenem Papier Gedichte, Prosa, Briefe – der Oberleutnant sah gelegentlich bei der Tür herein und sah mich bei der Arbeit – , um nach Dienstschluss im Allentsteiger See zu schwimmen, im Strandbad in der Sonne zu liegen und zu lesen, mit meiner neuen Freundin, einer Krankenschwester aus dem Allentsteiger Krankenhaus, verliebt im Wald zu spazieren, mit den Kameraden Cola-Rum zu trinken und zu kegeln und nachts unter einem intensiven Sternenhimmel heimzuwandern. Und vor allem nahm ich kaum Urlaub, ich hätte jedes Wochenende einen haben können, sondern blieb lieber da in den leeren Baracken, um zu schreiben und zu lesen, zu lieben und für den Rettungsschwimmerschein zu trainieren.


Letztlich einiges gelernt. So lernte ich letztlich doch einiges in meiner Militärzeit und, wie ich meine, nicht nur schreiben, rettungsschwimmen und Betten machen (das ich immer noch sehr gut kann), und begann im Herbst 1964 als Gefreiter der Reserve mein Studium der Philosophie an der Wiener Universität.

Karl-Markus Gauss: Bescheuerter Pazifismus

Dass ich als Präsenzdiener zum österreichischen Bundesheer gehen sollte, war für mich, der ich als Salzburger Gymnasiast schon während des Vietnamkrieges am liebsten den amerikanischen Wehrdienst verweigert hätte, unvorstellbar. Dass ich später immerhin in Österreich tatsächlich Zivildiener werden konnte, verdanke ich wie alle, die es vor dreißig Jahren wurden, einer Lüge. Die Lüge hatte einen Namen und hieß „Gewissensprüfung“.

Vor einer Kommission hatte man sich entweder in heiligmäßiger Einfalt zu präsentieren oder als Lügner zu bewähren und jedenfalls zu behaupten, dass man den Einsatz von Waffen auch dann für verwerflich halte, wenn es eine Demokratie gegen faschistische Truppen oder die eigene Schwester gegen einen Vergewaltiger zu verteidigen gelte. Auf Fangfragen, die ein dafür offenbar mit besonderer intellektueller Raffinesse ausgestattetes Mitglied der Kommission stellte, waren wir vorbereitet, sodass wir sie überzeugend zu beantworten wussten: Nein, auch wenn ein militärischer Aggressor die Landesgrenzen zu überschreiten trachtet, ist es ungebührlich, ihn mit Waffengewalt daran hindern zu wollen, und selbst dem gierig schnaubenden Vergewaltiger, wenn wir ihn zufällig dabei antreffen, wie er sich über die Schwester hermacht, werden wir nicht den nächsten Prügel über den Schädel pracken, sondern ihn vielmehr so lange mit guten Argumenten traktieren, bis er beschämt und geläutert das Weite sucht.


Als Depp ausgegeben. Der Preis, um den sich Staat und Bundesheer den Zivildienst abringen ließen, war die Deformation des politischen zum bescheuerten Pazifismus. Zivildiener konnte nur werden, wer sich als glaubwürdiger Parteigänger des bescheuerten Pazifismus ausgab, der politisch geradezu reaktionär und als persönliche Lebenshaltung zudem völlig unglaubwürdig war.

Ich glaube, das haben damals alle gewusst, die Offiziere, die Vertreter des Staates, die Delegierten der Jugendverbände, aus denen sich die Kommission zusammensetzte; und natürlich wir Zivildiener der ersten Stunden und Jahre selbst, die wir uns das Recht, statt im Kasernenhof exerzieren zu müssen, in sozialen Einrichtungen dienen zu dürfen, mit einer Lüge erkauften. Der Tag der Wahrheit kam ohnedies bald, für mich war es der 1. Oktober 1980, an dem ich ein Wohnheim der Lebenshilfe in Salzburg betrat. Ich habe es in den neun Monaten, die folgten, und den dreißig Jahren, die seither vergangen sind, nie bereut, gelogen und mich vor der ehrwürdigen Kommission als Depp ausgegeben zu haben.

Johann Skocek: Ein Jahr Indianer spielen

September 1972. Matura überstanden, Leben beginnt. Ich werde die Getreidegasse sehen, eine Käsesahnetorte essen. Am Nachmittag in die Glasenbacher Kaserne. Ein Jahr Indianer spielen mit scharfer Munition, exerzieren, Heereskaffee, ein Jahr Kante auf Kante.

Salzburg Hauptbahnhof. Ich sehe sie am Bahnsteig stehen, eine Schlangenlinie von Unglückswürmern, vor ihnen stolziert ein blonder k.k.-Armee-Schnurrbart auf und ab, die Hände im Rücken, das Kreuz durchgestreckt. Die blitzenden Augen sehen mich und bevor ich noch so tun kann, als gehöre ich nicht dazu, stehe ich schon in der Reihe, sitze auf dem Mannschafts-Lkw und das Kasernentor von Glasenbach fällt ins Schloss. Präsenzdienst.

„Schütze“ Skocek. Hat nichts mit dem Sternzeichen zu tun. Der Zwirbelbart ist Kompaniekommandant Roland Ertl. „Egal, ob die Sonne im Osten oder im Westen aufgeht, Hauptsache einheitlich.“ Exerzieren, Zimmer putzen, exerzieren, Stiefel putzen, exerzieren, mit Rucksack und StG 58 im Laufschritt auf die Fager-Alm. Endlose Märsche, wimmernde Schützen (aller Sternzeichen), fluchende Unteroffiziere. Körperausbildung aus der Steinzeit, Waffen aus der Spätromantik.

Der erste Brief von den Eltern, nein, Heimweh nicht, nie. Das Sturmgewehr blind zerlegen und zusammenbauen. Die Zimmerkontrolle am Freitag, nach drei Wochen das erste Mal FnD (frei von Freitag nach Dienst bis Sonntagmitternacht).


Ewige Jagdgründe. Alpinkurs in der Wattener Lizum – überleben im Schnee. Das Klump vom Bahnhof hinaufschleppen. Skitouren in Gefechtsausrüstung, die Marchfelder Skitechnik erweist sich als unausgereift. Einmal schwappt vor uns eine Lawine ins Trogtal, eine halbe Stunde später und eine halbe Kompanie Schützen wäre in die ewigen Jagdgründe übergetreten. Wir graben ein Iglu in die Schneewächte, schlagen Salti. Ertl schenkt Schnaps aus. „Nein, danke.“ Das erste und einzige Mal verlieren die blauen Augen kurz ihren Spott. Es war Indianer spielen und ein Jahr zum Erwachsenwerden. Aber Gnade Gott dem Land, das ich hätte verteidigen müssen.

32 Jahre später verabschiedet Bundespräsident Heinz Fischer das ÖOC-Team zu Olympia 2004 in Athen. Mit ihm schreitet ein langer Herr in grauer Uniform die Front der Sportler ab. Das Kreuz durchgestreckt, in den Augen der hellwache Blick, das Haupt glatt, der Bart voll und gezwirbelt. Roland Ertl ist Generalstabschef. Ich stelle mich stotternd vor. Ertl tut freundlich, aber die Augen verraten ihn. Er kann sich nicht erinnern. Vor Kurzem ging er in Pension. Von mir aus können sie die Wehrpflicht ruhig abschaffen.

Erwin Einzinger: Wenn jemand stirbt

Als ich als junger Hupfer zur Stellung musste, war von einem Zivildienst noch nirgends die Rede, zumindest erinnere ich mich an nichts dergleichen. Erst später erfuhr ich von der Möglichkeit und verfasste ein Schreiben, in dem ich den Wehrdienst aus Gewissensgründen ablehnte. Dummerweise hatte ich mich jedoch, als ich in Unterhosen vor dem Schreibtisch der Kommission gestanden war, auf die Frage, für welche Heereseinheit ich eventuell Interesse hätte, für Panzer entschieden.

Auf diesen eklatanten Widerspruch wies man mich dann später bei der Gewissensprüfung vor der Zivildienstkommission mehrfach hin. Ich führte aber ein Erlebnis an, das den Sinneswandel bewirkt und meine Einstellung zum Leben von Grund auf verändert habe, einen an meinem 20.Geburtstag durch unfassbares Glück bloß leicht verletzt überstandenen Unfall im Toten Gebirge, bei dem die Wahrscheinlichkeit, ihn überhaupt zu überleben, eher gering gewesen war.

Ich hatte sozusagen ein zweites Leben geschenkt bekommen und sähe dieses nun als so kostbar an, dass sich meine ganze Einstellung von Grund auf geändert habe. Längst hatte ich mich auch mit Büchern zur Friedensforschung et cetera beschäftigt, meine Meinung war unumstößlich.

Als ich dann den Zivildienst an der Landesnervenklinik Salzburg antrat, hatte ich davor bereits drei Jahre meinen erlernten Beruf als Lehrer an einem BRG ausprobiert und war nun der erste Wehrdienstverweigerer der Schule. Zu Beginn erschütterte mich all das Elend sowohl auf der psychiatrischen als auch auf der geriatrischen Abteilung. Wenn ich in ein Zimmer mit einem vollgeschissenen Bett kam oder wenn beim morgendlichen Baden der alten Männer am Ende ein Einlauf gemacht wurde und sich das Badewassser braun färbte, kämpfte ich mit Brechreiz, konnte mir nicht vorstellen, mittags in der Kantine einen Bissen hinunterzubringen. Dennoch empfand ich die Arbeit als sinnvoll. Ich erlebte auch zum ersten Mal, wie es ist, wenn jemand vor den eigenen Augen stirbt.


Leichnam im Blechsarg. Einmal hatte ich einen Leichnam im Blechsarg durch verwinkelte unterirdische Gänge zur Prosektur zu bringen, und ich weiß noch, dass mir zwei Leute helfen mussten, den Verstorbenen überhaupt auf den Rollwagen zu bekommen. In einer der Kühlkammern zeigte man mir die Wasserleiche eines in der Salzach gefundenen Selbstmörders sowie einen tags zuvor tödlich verunglückten sechzehnjährigen Mopedfahrer. Wenn ich dann an die in den Konferenzen in der Schule Jahr für Jahr von neuem entfachten Hausschlapfendiskussionen dachte, hatte ich ein seltsames Gefühl.

Peter Rosei: Nachtübung als Besäufnis

1969. Wollte ich mich vom Leben beurlauben? War ich grundsätzlich dafür, dass man kämpft und sich wehrt? Keinesfalls wollte ich mich drücken. So landete ich in der Karlskaserne, bei der Infanterie. Spätestens, als mich der zuständige Stabswachtmeister beim Einräumen meines Spindes zum ersten Mal anbrüllte, wusste ich, was mich erwartete. Der Mann hasste mich allein deshalb, weil ich „ein Doktor“ war. Akademiker, die sich unter die „Gewöhnlichen“ einreihten, waren verdächtig: Weshalb hat sich der Mann nicht zu den Einjährig-Freiwilligen gemeldet?

Als Zimmerältester verbrachte ich die ersten drei Monate fast durchgängig in der Kaserne. Mein Ausgehmantel, den ich ohnehin kaum brauchte, sah nicht viel anders aus als der Dienstmantel, die Goldknöpfe abgerechnet. Einmal verwechselte ich die beiden und robbte in „der Einser“ durch den Dreck der Lobau. Das Essen in der Feldküche war schon kalt, wenn es einem ins Geschirr gepappt wurde. Höhere Dienstgrade bekam ich so gut wie nie zu Gesicht. Was ich sah, waren Ausbildner vom Typ Leuteschinder, meist primitiv und versoffen. Das Ganze ein Gewaltapparat, ohne jede ideelle Grundlage, materiell verwahrlost. Der Spaten des amerikanischen Sturmgepäcks schlug einem bei jedem Schritt ins Kreuz. Es hieß: Das sind Restposten aus dem Korea-Krieg, was man gern glaubte.

Danach Pionierkaserne Admiral Tegetthoff, am Ufer der Kuchelau. Patrouillenbootstaffel. Sicherung der Donau. Ich wurde der Schreibstube zugeteilt. Der Dienstführende mochte mich gern, weil ich ihm jede Arbeit abnahm und alles selbstständig erledigte. So konnte er den Tag im UO-Kasino verbringen. Offizier und Unteroffizier, das waren streng getrennte Welten. Der Kommandant, ein Oberleutnant, war korrekt. Sein Stellvertreter, ein Leutnant, saß den ganzen Tag am Telefon und versuchte, Lebensversicherungen zu verkaufen.

Insgesamt gab ich zehn Schuss aus meinem Sturmgewehr ab. Einmal gab's eine Nachtübung, die letztlich in einem Massenbesäufnis endete. Ich führte meinen „Spieß“ in der Scheibtruhe heim.


Gewirr von Anekdoten. Sind diese Geschichten repräsentativ? Ich weiß es nicht. Was mir das Heer gebracht hat, waren hautnahe Begegnungen mit Menschen aller Schichten und Berufe, die mir sonst wohl nie untergekommen wären. Im Rückblick zerfällt der sogenannte Präsenzdienst in ein Gewirr von Anekdoten, die meisten von Männergehabe und jeder Menge Alkohol grundiert.

Die Sinnlosigkeit des Ganzen, gerade in Hinsicht auf den Ausbildungszweck, von „Höherem“ nicht zu reden, ist kaum zu übersehen.

Zuletzt sagt mein guter „Spieß“ zu mir: „Rosei, im Mob-Plan hab' ich dich ganz hinten eingeteilt. Da brauchst du nicht zu sterben.“

Er meinte es gut mit mir.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23. Jänner 2011)

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