Sebastian Kurz: "Goldene Löffel hatte ich nie im Mund"

Sebastian Kurz Goldene Loeffel
Sebastian Kurz Goldene Loeffel(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Die Integrationsdebatte dürfe nicht auf den Islam reduziert werden, sagt der neue Staatssekretär Sebastian Kurz. Ein Gespräch über Meidling und Moscheen, gut und schlecht integrierte Türken.

Hat Sie die Heftigkeit der Reaktionen anlässlich Ihrer Bestellung zum Staatssekretär überrascht?

Sebastian Kurz: Das Integrationsstaatssekretariat ist etwas vollkommen Neues. Es ist auch neu, dass man einem jungen Menschen die Möglichkeit gibt, nicht nur Politikkonsument zu sein, sondern aktiv mitzugestalten. Und insofern habe ich damit gerechnet, dass es viel Aufregung geben wird.

Die Facebook-Gruppe „Kurz als Integrationsstaatssekretär? – Nein danke!“ hatte binnen 48Stunden 10.000Fans. Wie geht es Ihnen, wenn Sie das hören oder lesen?

Mit so etwas muss man leben.

Viele Leute regt offenbar auf, dass jemand ohne abgeschlossene Ausbildung auf einmal über 14.000Euro im Monat verdient und Beamte herumkommandieren darf.

Ich engagiere mich seit sieben Jahren politisch, seit zwei Jahren auf Bundesebene als Obmann der Jungen ÖVP und in Wien auch auf Landesebene. Wegen des Geldes mache ich das aber nicht.

Sind Sie „der Typus des mit dem goldenen Löffel im Mund aufgewachsenen Hietzingers“, wie der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier diese Woche gemeint hat?

Ich bin ein Meidlinger, kein Hietzinger. Ich bin im Zwölften aufgewachsen und in öffentliche Schulen gegangen. Im Gymnasium hatte fast die Hälfte der Leute in meiner Klasse Migrationshintergrund. Ich habe mein Leben immer als schön empfunden, aber goldene Löffel habe ich nie im Mund gehabt.

Wo stehen Sie politisch? Sind Sie ein Liberaler, ein Konservativer, ein Christlichsozialer?

Das kommt auf den Bereich an. Ich bin ein sehr wertebewusster Mensch, was das Persönliche angeht. Mir ist Eigenverantwortung sehr wichtig. Ich halte es nicht für sehr sinnvoll, wenn der Staat in immer mehr Lebensbereiche eingreift. Wir sollten keinen „Hier-wird-Ihnen-geholfen-Staat“ erzeugen.

Welchem Bund werden Sie denn beitreten, wenn Sie der Jungen ÖVP entwachsen sind?

Ich habe gute Beziehungen in alle, aber jetzt bin ich Obmann der Jungen ÖVP.

Der Bauernbund wird es eher nicht sein, oder doch?

Ich bin, wie gesagt, JVP-Obmann.

Wie werden Sie Ihr neues Amt anlegen?

Bis jetzt hat sich keine Partei getraut, das Thema Integration sachlich zu behandeln. Auf der einen Seite hat es die Träumerei gegeben, auf der anderen die Hetze. Ich werde einen positiven Zugang wählen. Und ich möchte „Deutschlernen“ in den Vordergrund stellen. Die Sprache ist der Schlüssel für ein gelungenes Miteinander.

Denken Sie auch an Sanktionen, wenn sich jemand weigert, Deutsch zu lernen?

Ich muss mir jetzt einmal alles genau anschauen. Das Innenministerium ist sehr gut aufgestellt, wir werden uns voll auf die Integrationsabteilung stützen. Ab nächster Woche haben wir Termine mit NGOs und dem Integrationsbeirat.

Der Expertenrat für Integration wird im Juni seine Vorschläge präsentieren. Das müssten Sie dann im Prinzip nur abarbeiten.

Es gibt ja auch jetzt schon Konzepte – sie sind nur sehr unterschiedlich. Ich werde viele Gespräche führen, um den passenden Zugang für mich herauszufinden. Entscheidend wird sein, wie wir diese Konzepte auf den Boden bringen. Aber da gibt es quer durch alle Bundesländer schon einige Positivbeispiele.

Welche denn?

Das Bildungszentrum „Habibi“ in Wien oder ein Kindergartenprojekt in Wiener Neustadt, wo zusätzlich Fachkräfte im Einsatz sind, um Konflikte zu vermeiden und Sprache früh zu fördern. Diese Projekte möchte ich vor den Vorhang bringen – in der Hoffnung, dass es dann einige Nachahmer geben wird.

Das könnte genauso gut das Bildungsministerium machen – dazu braucht es kein eigenes Staatssekretariat für Integration.

Andere Projekte fallen dafür in den Sozial- oder Arbeitsbereich. Integration findet überall statt, beim Heer, in der Schule und in den Vereinen.

Sie sind also der Chefkoordinator.

Wir alle wissen, dass es ohne gelungene Integration kein gutes Zusammenleben in Österreich geben kann. Und dann wird es schwierig, langfristig den sozialen Frieden zu halten. Deshalb muss man sich der Sache annehmen – warum nicht mit einem Staatssekretariat?

Ist Integration Ihrer Meinung nach eine Bring- oder eine Holschuld?

Beides. Es geht um Fordern und Fördern. Es braucht Angebote, und wir müssen auch einfordern, dass diese Angebote genutzt werden.

Sind Sie für ein Kopftuchverbot?

Wenn das Kopftuch freiwillig getragen wird, ist es eine Frage der Religionsfreiheit. Wer seriös über Integration reden will, darf nicht immer gleich in die Islamdebatte hineinkippen.

Aber im Wiener Wahlkampf haben Sie sich in diese Richtung geäußert: In Moscheen sollte Deutsch gesprochen und gepredigt werden.

Ich habe nichts gefordert, nur einen Vorschlag gemacht: Nämlich mehr Deutsch in Moscheen. Davon bin ich heute noch überzeugt. Wo Deutsch gesprochen wird, wird Deutsch schneller erlernt, das hilft bei der Integration. Aber ich habe nie gesagt, dass auf Deutsch zu beten per Gesetz verordnet werden soll. Das ist eine Frage der Religion.

Viele sagen, es gibt in Österreich kein Ausländer-, sondern ein Türkenproblem.

Es gibt ein Integrationsthema, und es wäre falsch, hier eine Ethnie herauszuheben. Es gibt gut integrierte Türken, und es gibt schlecht integrierte Türken.

Werden Sie auch Leute aus der Migrantencommunity in Ihr Kabinett aufnehmen?

Ich habe kein Kabinett, sondern ein Büro – bei einem Staatssekretär ist alles ein bisschen kleiner. Der Stefan Steiner ist jetzt mein Büroleiter (er kommt aus der Bundespartei, Anm.). Er war schon einmal im Innenministerium und spricht Türkisch, weil er zum Teil in der Türkei aufgewachsen ist.

Haben Sie als Staatssekretär überhaupt Kompetenzen? Oder müssen Sie alles mit der Innenministerin abstimmen?

Die Kompetenzen sind klar aufgeteilt. Im Haus gibt es, wie gesagt, eine sehr gut aufgestellte Abteilung für Integration. Daran angedockt sind der Integrationsfonds, der Integrationsbeirat und ein unabhängiges Expertengremium. All das kann und werde ich nutzen.

Würden Sie die „Geil-o-mobil“-Aktion, retrospektiv betrachtet, noch einmal machen?

Für Jugendorganisationen ist es leider Gottes nicht leicht, medial Gehör zu finden. Daher haben wir es in der JVP mit sehr auffälligen Kampagnen versucht. Das hat manchmal besser funktioniert wie bei der 24-Stunden-U-Bahn in Wien, und manchmal schlechter.

Haben Sie ein politisches Vorbild?

Es gibt charismatische Politiker, die einen mitreißen, und inhaltsgeladene Politiker mit einem Wertefundament.

Der eine ist also Barack Obama, der andere Michael Spindelegger.

Ich habe nicht das eine Vorbild, es gibt viele Politiker, die bewundernswerte Eigenschaften haben.

Wie stehen Sie zu Schwarz-Blau?

Ich habe oft gefordert, dass in der Bundesregierung mehr weitergehen muss.

Jetzt sind Sie plötzlich Teil dieser Regierung.

Deshalb wäre ich froh, wenn sich möglichst viel tut. Ich bin aber keiner, der einzelne Parteien ausgrenzt. Man sollte sich alle Optionen offen halten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24. April 2011)

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