Jetzt kommt Volksbegehren zur Wehrpflicht

(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
  • Drucken

Frühestens mit der nächsten Nationalratswahl kommt die von der SPÖ gewünschte Volksbefragung. Die Grünen wollen nun Druck machen und für ein Volksbegehren „Krone“ und einzelne SPÖler ins Boot holen.

Wien. Es war der Wechsel an der ÖVP-Spitze, der Bundeskanzler Werner Faymann zu seinem Schwenk in der Wehrpflichtfrage veranlasst hat. Der Kanzler bestätigte am Dienstag nach dem Ministerrat, dass sich damit die Voraussetzungen geändert hätten. Unter Pröll habe es zwar keine Vereinbarung, aber Signale gegeben, dass die ÖVP einer Volksbefragung zustimmen könnte. Spindelegger habe nun aber eine klare Haltung dagegen. Und die Zusammenarbeit in der Regierung wollte Faymann wegen der Frage der Wehrpflicht nicht gefährden. Daher sein Vorschlag, eine Volksbefragung erst gleichzeitig mit der nächsten Nationalratswahl 2013 anzusetzen.

Damit ist die bisher geplante Abstimmung im Herbst wohl vom Tisch, auch wenn Verteidigungsminister Norbert Darabos immer noch daran festhalten will. Eine schnelle Befragung sei immer noch „PlanA“, so der Minister, die Verschiebung auf 2013 lediglich die „Exit-Strategie“ oder „PlanB“, falls es nicht gelingen sollte, die ÖVP zu überzeugen. Auch der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der im Oktober des Vorjahres im Wiener Gemeinderatswahlkampf die SPÖ auf eine Abschaffung der Wehrpflicht und damit auf eine Änderung ihrer bisherigen Linie eingeschworen hatte, äußerte sich ähnlich.

Überparteiliches Volksbegehren

Empört über den SPÖ-Rückzieher ist der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz, der ebenfalls für eine Abschaffung der Wehrpflicht plädiert. Pilz will im Herbst nochmals einen Antrag auf eine Volksbefragung im Parlament einbringen und, sollte dieser – was zu erwarten ist – abgelehnt werden, ein Volksbegehren starten. Diese werde zu einer überparteilichen Aktion, die weit über die Grünen hinausgehe, so der Abgeordnete zur „Presse“. Auch aus SPÖ-Kreisen sei ihm schon signalisiert worden, dass man dabei mitmachen würde. Aufgrund der Vorlauffristen könnte dieses Volksbegehren dann im Frühjahr 2012 zur Unterzeichnung aufliegen. „Das wird eine Mobilisierung der Jugend“, so Pilz, der auch hofft, die „Kronen Zeitung“ in dieser Frage auf seine Seite bringen zu können.

Verhandlungen laufen weiter

Auch ohne Entscheidung über die Wehrpflicht will die Koalition die Verhandlungen über eine Reform des Bundesheers weiter führen – allerdings mit unterschiedlichen Intentionen. Laut Kanzler Faymann müsse die Heeresreform sofort beginnen, die von der SPÖ gewünschte Abschaffung der Wehrpflicht solle dann der „Schlusspunkt“ dieser Reform sein.

Auch Spindelegger sieht nun den Weg für eine Heeresreform frei. Sie soll nach seiner Ansicht aber dazu führen, dass Grundwehrdiener künftig einen „sinnvollen Dienst“ leisten können. Mit der Frage, ob dann 2013 eine Abschaffung der Wehrpflicht kommen könnte, will sich Spindelegger gar nicht befassen. Was man dann mache, werde man in zwei Jahren sehen, so der Vizekanzler.

Wie bei einer derart unterschiedlichen Ausgangslage eine sinnvolle Heeresreform verhandelt werden kann, ist Verteidigungsexperten schleierhaft. Denn praktisch jede Reformbestrebung im Bundesheer hängt unmittelbar damit zusammen, ob dieses ein Berufsheer ist oder von Wehrpflichtigen gebildet wird. Das gilt vor allem für Änderungen in den Personalstrukturen.

„Das Dümmste, was man tun kann“

Eine Aufschiebung der Entscheidung über die Wehrpflicht sei „das Dümmste, was man tun kann“, sagt etwa der Präsident der Offiziersgesellschaft, Eduard Paulus. Denn damit bestehe die Gefahr, dass in den nächsten zwei Jahren völliger Stillstand eintrete. „Das Heer schreit aber nach einer Reform, besser gestern als heute.“ Ein Aufschieben schaffe nur neue Probleme – alles werde wieder teurer.

Auf einen Blick

Das SPÖ-Modell: Verteidigungsminister Norbert Darabos hat im Jänner ein Berufsheermodell vorgestellt, dem 9500 Berufssoldaten, 5500 Zeitsoldaten und eine Freiwilligenmiliz mit 10.000 Mann angehören. Dazu kommen noch 7000 Zivilbedienstete. Die Freiwilligen erhalten demnach eine jährliche Prämie von 5000 Euro allein für ihre Bereitschaft. Der Grundwehrdienst wird abgeschafft, auch für den Zivildienst plant die SPÖ eine Ersatzlösung mit Freiwilligen, die für ihren Einsatz bezahlt werden.

Das ÖVP-Modell. Die Volkspartei will die Wehrpflicht beibehalten, aber reformieren. Der Dienst mit der Waffe soll von den jungen Männern wieder als sinnvolle Ausbildung erlebt werden. Es sollen weniger Wehrpflichtige eingezogen werden, diese dafür aber nicht für Systemerhalterjobs im Heer missbraucht werden. Die Miliz will die ÖVP neu beleben, indem ein Teil des sechsmonatigen Grundwehrdienstes in Form von Übungen abgeleistet wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.