Österreich will Imame selbst ausbilden

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Im "Dialogforum Islam" beraten Politik und Islamische Glaubensgemeinschaft über konkrete Maßnahmen zur Integration. Ein Schwerpunkt für die Zukunft ist, eine eigene Institution zur Imame-Ausbildung zu schaffen.

Wien/Eko. Die Vorbeter in Österreichs Moscheen sollen künftig auch in Österreich ausgebildet werden. Das ist der bisher konkreteste Punkt, den die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und das Staatssekretariat für Integration als Ziel für die kommenden Jahre ins Auge gefasst haben.

Unter dem Schlagwort „Dialogforum Islam“ wurden sieben Arbeitsgruppen eingerichtet, die gestern, Montag, ihre operative Tätigkeit aufnahmen – und Konzepte zum besseren Zusammenleben ausarbeiten sollen. Ziel soll sein, die meist emotional geführte Debatte über den Islam in Österreich zu versachlichen.

Derzeit greifen die Moscheevereine in Österreich zum Großteil auf Imame aus dem Ausland zurück, weil es hierzulande noch keine Ausbildung gibt. Das wirft mehrere Probleme auf. Zum einen kennen die zugereisten Vorbeter die Probleme der österreichischen Muslime und die politischen, rechtlichen und sozialen Bedingungen nicht aus eigenem Erleben. Zum anderen sprechen sie oft auch nicht oder nicht ausreichend gut Deutsch. Verschärft wird das Problem dadurch, dass etwa die Imame des türkischen Vereins Atib nur für maximal fünf Jahre nach Österreich geschickt werden. Die Motivation, sich längerfristig auf das Land einzustellen, ist demnach eher gering.

Ziel: Eine islamische Fakultät

Zwar gibt es für die Atib-Imame seit 2008 Lehrgänge des österreichischen Außenministeriums, in denen sie auf ihre Tätigkeit vorbereitet werden. Und an der Universität Wien wurde 2009 ein Universitätslehrgang zur Weiterbildung von Imamen gestartet. Doch das langfristige Ziel der IGGiÖ ist es, eine eigene islamisch-theologische Fakultät einzurichten, so, wie es sie bereits an vier Standorten in Deutschland gibt. „Die gleiche Diskussion hatten wir früher auch bei der Ausbildung der Religionslehrer“, sagt IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac im Gespräch mit der „Presse“. Mittlerweile müssen die Lehrer nicht mehr importiert werden – mit dem privaten Studiengang für das Lehramt für Islamische Religion an den Pflichtschulen und dem Masterstudium „Islamische Religionspädagogik“ hat man die entsprechenden Einrichtungen zur Ausbildung selbst geschaffen. „Seit wir sie hier selbst ausbilden, hat sich die Lage deutlich verbessert.“

Das Dialogforum soll nun die wichtigsten Fragestellungen zur Imam-Ausbildung klären und mögliche Varianten erarbeiten – neben einer eigenen Fakultät steht etwa auch das Modell einer konfessionellen Schule als Ausbildungsstätte zur Diskussion. Klar ist allerdings, dass es sich dabei nur um Vorarbeiten handeln kann – denn die Umsetzung liegt nicht beim Integrationsstaatssekretariat, sondern im Bildungsministerium. „Das ist auch ganz bewusst so“, sagt Staatssekretär Sebastian Kurz.

Ergebnisse in einem Jahr

Man wolle Daten und Fakten schaffen, die dann von den zuständigen Behörden für eine etwaige Umsetzung von Maßnahmen verwendet werden können.

Neben der Frage der Imam-Ausbildung werden noch sechs weitere Themen in Arbeitsgruppen behandelt. Dazu gehören „Integration und Identität“, „Werte- und Gesellschaftsfragen“, Islamismus und Islamfeindlichkeit“, Geschlechterrollen“, „Staat und Islam“ und „Islam und Medien“. Geleitet werden die Arbeitsgruppen von unabhängigen Experten, etwa dem Religionsrechtler Richard Potz, dem evangelischen Theologen Wolfram Reiss oder dem deutschen Islamwissenschaftler Mathias Rohe – er wurde 2006 durch eine umstrittene Integrationsstudie bekannt, die von der damaligen Innenministerin Liese Prokop sehr selektiv interpretiert wurde.

Als ungefähren Richtwert haben sich die Beteiligten vorgenommen, mit dem Prozess in etwa einem Jahr fertig zu sein. Welche Ergebnisse am Ende stehen sollen, will man noch nicht vorwegnehmen – etwa die Frage, ob und wie das Islamgesetz von 1912 an die neuen Gegebenheiten angepasst werden könnte. „Die Experten haben einen großen Freiraum“, so Kurz. Da könne man nicht jetzt auf bestimmte Ergebnisse pochen.

Kritik am Dialogforum kommt indes von den Grünen: Menschenrechtssprecherin Alev Korun stößt sich daran, dass lediglich die IGGiÖ als Dialogpartner gewählt wurde – bei den letzten Wahlen haben von rund 500.000 Muslimen nur 30.000 teilgenommen. Korun fordert, dass der institutionalisierte Dialog auch mit anderen Vereinen und Organisationen geführt werden müsse, „damit man die Vielfalt des muslimischen Lebens in Österreich wirklich ernst nimmt“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2012)

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