Das Netzwerk der „Twitterpolitik“

(c) EPA (IAN LANGSDON)
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Plaudern über Niko Pelinka und U-Ausschuss: Auf Twitter kommen Bürger mit Politikern in Kontakt. Vor allem BZÖ und Grüne sitzen am digitalen Stammtisch. Auf Twitter funktioniert vor allem Aktuelles und Prägnantes

Wien. Kennen Sie Michel Reimon? Wohl eher nicht. Im innenpolitischen Alltag gilt der einzige burgenländische grüne Landtagsabgeordnete als Randfigur. Im Kosmos des Kurznachrichtendienstes „Twitter“ ist das anders. Dort steht Reimon im Zentrum. Auch dort zu finden: BZÖ-Nationalrat Stefan Petzner.

Das ist eines der Ergebnisse einer Studie an der Uni Wien zum Thema „Twitterpolitik“ (http://twitterpolitik.net). Die Autoren Julian Ausserhofer, Axel Kittenberger und Axel Maireder analysierten zwischen Oktober 2011 und Jänner 2012 fast 150.000 Tweets (Kurznachrichten) von 374 Usern, die sich in den drei Monaten davor mehrfach zu politischen Themen geäußert hatten. Dabei kristallisierten sich Netzwerke von Politikern, Experten (NGOs, Lobbyisten, Wissenschaftler), Journalisten, aber auch von interessierten Bürgern heraus. Die Netzwerk-Grafiken veranschaulichen, wer mit wem wie viel „spricht“ – und worüber (im Bild: Subnetzwerk zu „Korruption“).

Mehr Journalisten als Politiker

Eine grundsätzliche Frage der Studie war: Wird Politik durch das Internet zugänglicher? Die Antwort lautet: durchaus. „Die Twittersphäre ist sehr konversationsorientiert, es geht mehr um Dialog als um PR-Verlautbarungen“, sagt Social-Media-Forscher Maireder. Ablesen könne man das daran, dass in den Tweets – auch jenen der Politiker – sehr häufig andere Nutzer adressiert oder erwähnt werden. (Die Zahl der Adressierungen und Erwähnungen ist für die Stellung im Netzwerk übrigens relevanter als die Anzahl der „Follower“, also jener, die die Tweets eines Users abonniert haben.) Etwa ein Sechstel der Adressierungen der Politiker richtet sich an „normale Bürger“. Eingeschränkt wird der direkte Kontakt am digitalen Stammtisch jedoch dadurch, dass sich hier nicht allzu viele Politiker tummeln: Von den 374 Nutzern in der „Twitterpolitiksphäre“ sind nur 69 Politiker (inklusive Sprecher), 194 sind Bürger, der Rest Journalisten (83, allen voran ZIB-Moderator Armin Wolf) und Experten (28).

Von den Politikern wiederum findet man – abgesehen von neuerdings FPÖ-Chef Strache, BZÖ-Chef Bucher oder Werner Kogler, stv. Grünen-Chef – kaum solche „aus der ersten Reihe“. „Vermutlich, weil die Infomedien-Elite und die Jüngeren eher in der zweiten Reihe sitzen“, sagt Ausserhofer. Vielleicht sind auch die Flops der Partei-Granden schuld: So ruht der Twitter-Account des Bundeskanzlers „bis auf Weiteres“, wie Faymanns Social-Media-Beauftragte Angelika Feigl der „Presse“ bestätigt. Generell sind auf Twitter die Grünen und, gemessen an seiner Größe, das BZÖ aktiv, vor allem seit Petzner aus dem U-Ausschuss twittert. Insgesamt ist die politische Twittersphäre aber zu zwei Dritteln männlich und „eher links“, wie Ausserhofer sagt. Am liebsten wird entweder zu Mittag getwittert, (Politiker und Bürger), am späten Nachmittag und Abend (Journalisten und Experten), dann oft während und zu TV-Info-Sendungen oder Politik-Talk-Runden.

Lieber nichts Sperriges

Apropos Themen: Auf Twitter funktioniert Aktuelles und Prägnantes, Komplexes und Sperriges ist unterrepräsentiert. Deutlich macht das ein Vergleich mit den Tageszeitungen: Ende Jänner dominierte dort das Sparpaket, auf Twitter der WKR-Ball. Manchmal ist Twitter auch Trendbarometer: „Der Fall Niko Pelinka hat es auch durch Twitter an eine breitere Öffentlichkeit geschafft“, sagt Ausserhofer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2012)

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