Der Vorstoß für eine gesetzlich geregelte Mietobergrenze in Wien trifft die SPÖ in ihrer Kernkompetenz.
Michael Häupl reagierte ungewohnt: Er wolle dazu nichts sagen, meinte der ansonsten wortgewaltige Bürgermeister knapp. Anders ein roter Spitzenfunktionär, der aus verständlichen Gründen anonym bleiben will: „Dieser Vorschlag ist völlig vertrottelt.“
Mit „dieser Vorschlag“ ist der Vorstoß der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou gemeint, die eine gesetzliche Obergrenze von sieben Euro Miete pro Quadratmeter in Wien gefordert hat. Das hat in weiten Teilen der SPÖ für massiven Ärger gesorgt: „Dieser Vorstoß fällt uns voll auf den Kopf. Und das mehrfach“, empört sich ein SP-Funktionär, der ätzt: „Vassilakou hat anscheinend viel zu wenig zu tun in ihrem Ressort, sodass sie jetzt auch glaubt, sich um die Mieten kümmern zu müssen.“
Der rote Ärger hat mehrere Gründe. Nicht nur, dass die SPÖ von dem (nicht abgesprochenen) Vassilakou-Vorstoß völlig überrascht wurde – er trifft die SPÖ in ihrer Kernkompetenz: „Dank Vassilakou wird in der Öffentlichkeit jetzt nur noch unreflektiert darüber diskutiert, dass die Mietpreise in Wien explodieren – was uns natürlich auf den Kopf fällt.“ Sogar im Gemeindebau, in dem die Mieten nur rund vier Euro betragen, beschweren sich Bewohner bei SP-Basisfunktionären massiv über die teuren Mieten – und fragen, warum die SPÖ nichts dagegen tut. Dabei würden die Mietsteigerungen mehr als 90 Prozent der Wiener nicht betreffen, weil diese im Gemeindebau, im geförderten Wohnbau oder in Richtwertmietzins-Wohnungen leben würden. Ein Basisfunktionär: „Vassilakou hat uns massiv Ärger eingebrockt.“
Wie ernst die SPÖ diese Bedrohung ihres Image als Kämpferin für sozial gerechte Mieten nimmt, ist allein an Wohnbaustadtrat Michael Ludwig zu sehen. Nach dem Vassilakou-Vorstoß entwickelte er eine bemerkenswerte Hyperaktivität, sendet nun massenhaft Pressemeldungen aus, in denen beteuert wird: Es werden zahlreiche neue Wohnungen gebaut, die Mieten im sozialen Wohnbau bleiben günstig.
Ein zweiter Grund, weshalb die SPÖ verärgert ist: Mit der Bundes-VP wird seit einiger Zeit über eine Reform des Mietrechts verhandelt. Dabei geht es sehr zäh zu, ist zu hören. Jetzt, da sich die ÖVP vorsichtig bewegt, platzt Vassilakou mit ihrem Vorschlag mitten in die Verhandlungen, wird in SP-Kreisen kritisiert. Das Ergebnis: Die Bundes-VP ist von Vassilakous Vorschlägen entsetzt und bunkert sich wieder ein – nichts geht mehr.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2012)