Der rote Sonnyboy mit dem Vertretercharme

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Werner Faymann – auch er hatte einmal Ecken und Kanten.

Noch am Tag seiner Angelobung als Wiener Wohnbaustadtrat im Jahre 1994 ließ Werner Faymann im Rathaus ein „SOS-Telefon“ für drangsalierte Mieter installieren. Den Hausherren der Stadt sagte der bisherige Chef der Wiener Mietervereinigung damit hochoffiziell den Kampf an. „Der frischgebackene Stadtrat macht seinem Ruf alle Ehre. Werner Faymann gilt als Linker der alten Schule, als aufmüpfiger Jungsozialist und als Hardliner in der Wohnungspolitik“, schrieb die „WirtschaftsWoche“ damals. „Faymann ist schlicht und einfach ein Marxist“, schimpfte ein ÖVP-Mandatar.

Werner Faymann, der im Verdacht steht, „aalglatter als ein Aal“ (SPÖ-Veteran Wolfgang Radlegger) zu sein, hatte tatsächlich einmal Ecken und Kanten. 1983, als Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Wiens, organisierte er Proteste gegen den Besuch des in Sexualfragen sehr rigiden Papstes Johannes Paul II., zwei Jahre später schlug er am Rathaustor seine „Sieben Thesen der Wiener Stadtjugend“ an. Damals stand Faymann links, es gab aber freilich noch weit Linkere in der SPÖ als ihn.

Auf Ausgleich bedacht war der Rolling-Stones-Fan jedoch schon immer, Streit verabscheute er, er balancierte sich durch und war auch keiner, der sich ins Rampenlicht drängte. Dort standen andere, Alfred Gusenbauer etwa, der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Österreichs. „Gusenbauer war immer der Chef, aber Faymann hatte immer die Macht“, erzählt ein Jugendfreund. Denn während der Intellektuelle Gusenbauer mit kämpferischen, theorielastigen Reden am Podium imponierte, hielt sich Faymann lieber im Hintergrund und knüpfte dort an seinem Netzwerk.

Nun ist Faymann selbst Chef in seiner Partei. Die Ecken und Kanten sind inzwischen weggefeilt. Geblieben ist sein Harmoniebedürfnis, seine unverbindliche Freundlichkeit. Verstärkt trat mit der Zeit sein Zug zum Pragmatismus zutage.

Werner Faymann ist kein Intellektueller, aber er ist sozial intelligenter als sein Vorgänger. Faymann ist ein Techniker der Macht. Aber kein kühler, sondern ein empathischer. Faymann gibt den nach den Gusenbauer-Jahren emotionell ausgehungerten Genossen das Gefühl, dass er sie versteht, dass sie voll und ganz in seine Entscheidungen eingebunden sind. Faymann ist tatsächlich so etwas wie der Erste unter Gleichen. Gusenbauer war den meisten seiner Gesinnungsfreunde weit voraus – und ließ sie das auch spüren.

Im Gegensatz zum vielsprachigen Gusenbauer ist Faymann, der als Fremdsprache nur Englisch beherrscht, und das eher mäßig, wie ÖVP-Politiker gerne süffisant hervorheben, auch kein leidenschaftlicher EU- und Außenpolitiker. Das Metier des langjährigen Kommunalpolitikers ist die Innenpolitik. Was ihm wohl auch den EU-Schwenk erleichterte.

Werner Faymann wuchs in Wien-Mariahilf als Einzelkind in einer Mittelstandsfamilie auf, der Vater war Pharmavertreter, die Mutter Sekretärin in einer Anwaltskanzlei. Und mit dem Charme eines Vertreters bringt Faymann junior auch seine Politik an den Mann. Er ist höflich, hört geduldig zu, hat für jeden ein paar nette Worte parat und preist dennoch mit Nachdruck seine Ware an.

Zwischen Klima und Vranitzky

Seine Vorbilder sind Willy Brandt, Rosa Jochmann, Leopold Gratz, Helmut Zilk – und der unvermeidliche Bruno Kreisky. In seinen Reden stellt Faymann, an sich kein großer Rhetoriker, immer wieder einen Bezug zum roten Übervater her. Faymann selbst ist vom Typ her allerdings eher zwischen Viktor Klima und Franz Vranitzky anzusiedeln. Was er beiden jedoch voraushat, ist seine Verankerung in der Partei. Faymann, der sein Jusstudium bald aufgab, hat eine klassische SPÖ-Karriere hinter sich: vom SJ-Chef zum Parteivorsitzenden. Nebenbei baute er sich ein tragfähiges Mediennetzwerk – von Dichands bis Fellners – auf, das seinesgleichen sucht.

Auch beim politischen Gegner war der rote Regierungskoordinator bis zu seiner Kür zum SPÖ-Chef überaus angesehen. Noch im Jänner 2008 erhielt er via „trend“ sogar Lob von Wolfgang Schüssel: Faymann könne heikle Situationen gut „deblockieren“, befand dieser anerkennend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2008)

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