Bandion-Ortner: Die Bawag-Richterin als Justizministerin

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bandion-ortner(c) EPA (ROBERT JAEGER)
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Die Frau Rat aus dem Grauen Haus soll ihr Amt als unabhängige Ressortchefin ausüben. Das Timing passt: Die schriftliche Ausfertigung des Urteils für Elsner und Co. ist fast fertig.

Sie hat Helmut Elsner, den Ex-chef der einst roten Gewerkschaftsbank Bawag, wegen Untreue verurteilt. Sie (bzw. der vierköpfige Senat, dessen Vorsitz sie führte) verhängte neuneinhalb Jahre Haft. Nun wird Bawag-Richterin Claudia Bandion-Ortner von der ÖVP als – unabhängige – Justizministerin in die Bundesregierung geholt.

Das Timing passt: Die schriftliche Ausfertigung des Urteils für Elsner und Co. ist fast fertig. Bis zur Angelobung am 2. Dezember soll der Spruch im größten Strafprozess, den Österreich je hatte, endgültig vorliegen. Wenn das Ministeramt nicht Grund genug zum Feiern ist, werden spätestens am Sonntag, dem 30. November, die Sektkorken knallen: Dann feiert die Juristin mit dem strahlenden Lachen ihren 42. Geburtstag.

Claudia Bandion-Ortner wurde in Graz geboren. Sie hat eine Schwester und eine Halbschwester. Die Mädchen wuchsen in Tamsweg, im Salzburger Lungau, auf. Der Vater der designierten Justizministerin war fast 30 Jahre Vorsteher des Bezirksgerichts Tamsweg und als FPÖ-Gemeinderat aktiv. Nach ihrem Jus-Studium in Graz begann Claudia Bandion-Ortner 1993 als Richterin im Grauen Haus, wie das Straflandesgericht Wien im Volksmund genannt wird.

Mitglied der Richtergewerkschaft

Die Juristin pflegt ein unverkrampftes Verhältnis zu Medien. Ende der 90er-Jahre bediente sie sich deren Hilfe, als es darum ging, die vom Justizressort beabsichtigte Teilung des Grauen Hauses in zwei kleinere Gerichte zu verhindern. Damals war die quirlige Frau Rat Vorsitzende des gewerkschaftlichen Betriebsausschusses. Noch heute ist sie Mitglied der Richtergewerkschaft, gehört aber keiner Partei an. Im „Presse“-Interview meinte sie im August vorausblickend: „Ideal wäre es sicher, wenn der Justizminister parteiunabhängig wäre.“

Ihr erster großer Fall war gleich ein besonders großer Fall: Es ging um die strafgerichtliche Aufarbeitung der Konsumpleite. Angeklagt war der frühere Boss des „Roten Riesen“, Hermann Gerharter. Ihn hat Claudia Bandion-Ortner mittlerweile bereits dreimal (!) verurteilt. Zweimal wegen Krida-Delikten im Rahmen der Causa „Konsum“ – und dann viel später, im Zuge der Bawag-Affäre, noch einmal (nicht rechtskräftig): wegen Beihilfe zur Untreue. Gerharter war derjenige, der – laut Urteil – den legendären „Plastiksackerlkredit“ (560.000€) von Helmut Elsner in Empfang nahm. Ab 16. Juni 2007 folgte dann durch den Vorsitz im 117 Verhandlungstage dauernden Bawag-Prozess eine mediale Dauerpräsenz, die die Basis für den Sprung in die Politik gewesen sein dürfte – zumal Claudia Bandion-Ortner das heikle Monsterverfahren auch gut im Griff hatte. Den mitunter erbosten Hauptangeklagten Helmut Elsner („Während Sie abgetanzt haben, habe ich hart gearbeitet, Frau Rat!“) versuchte sie bevorzugt durch ein Lächeln zu entschärfen.

Das – strenge – Urteil bildete die Ausnahme von der Regel, die der Vorsitzenden den Ruf einer milden Richterin eintrug. Rechtskräftig sind die Bawag-Urteile noch nicht. Diese Situation ist pikant: Wenn die Staatsanwaltschaft Wien ihre bereits angekündigten Rechtsmittel gegen die Urteile einbringt, steht jene Frau an der Spitze der Weisungskette, die das Urteil geschrieben hat.

Apropos Tanzen: Privat mag die Frau eines 45-jährigen Kripobeamten und Mutter eines fünfjährigen Buben Musik. Als bekennender Fan des Ex-„Smokie“-Frontmanns Chris Norman durfte sich die Liebhaberin bunter Brillen vor ein paar Monaten über ein persönliches Treffen mit dem smarten Herzensbrecher freuen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2008)

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