Tödliche Nähe von Heilung und Vernichtung

Anthropologie und Medizin übernahmen im Nationalsozialismus eine neue Aufgabe: Menschen als „minderwertig“ zu qualifizieren und „auszumerzen“. Im Bild: Ausstellungsstücke in der Gedenkstätte Steinhof.
Anthropologie und Medizin übernahmen im Nationalsozialismus eine neue Aufgabe: Menschen als „minderwertig“ zu qualifizieren und „auszumerzen“. Im Bild: Ausstellungsstücke in der Gedenkstätte Steinhof. (C) DÖW
  • Drucken

Der neue Ausstellungskatalog zur Gedenkstätte Steinhof beleuchtet die Rolle der Wissenschaft, die letztlich die rassistische und tödliche Politik der Nazis legitimierte – und macht auch einen Schwenk in die Gegenwart.

Schön säuberlich auf einem Regal aneinandergereiht lagerten die Gehirne jener Kinder, die in der Nazi-„Jugendfürsorgeanstalt“ Am Spiegelgrund getötet wurden, lange Zeit im Keller des Psychiatrischen Krankenhauses der Stadt Wien. „Noch 1988 beschränkte sich die Würdigung der Opfer auf eine Erinnerungstafel an der Wand des Abstellraums“, erinnert sich der Wiener Historiker Herwig Czech, derzeit Gastwissenschaftler an der Charité in Berlin. Er war maßgeblich an der Zusammenstellung des kürzlich präsentierten Begleitbandes zur Ausstellung der Gedenkstätte Steinhof im Otto-Wagner-Spital beteiligt.

Utopie „erbgesunder“ Mensch

Das vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) herausgegebene Buch „Der Krieg gegen die ,Minderwertigen‘“ ist kein klassischer Austellungskatalog, sondern beleuchtet aus medizinhistorischer Sicht das menschenverachtende Antlitz der Psychiatrie während der NS-Zeit sowie die spätere Aufarbeitung der Gräuel. Neben einem Abriss zur Entwicklung der Wiener „Irrenpflege“ und einer akkuraten Dokumentation der institutionalisierten NS-Ideologie, etwa des als „AktionT4“ bezeichneten Massenmords an psychisch kranken Menschen und Menschen mit Behinderung, bietet der Katalog auch Berichte von Spiegelgrund-Überlebenden.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.