OGH: Samenspende für Lesben erlauben

nimmt neuen Anlauf Samenspende
nimmt neuen Anlauf Samenspende(c) APA GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Oberster Gerichtshof erneuert zuvor zu eng gefassten Antrag an Verfassungsgerichtshof.

Sollen auch lesbische Paare mithilfe einer Samenspende und der Fortpflanzungsmedizin Kinder bekommen können? Der Oberste Gerichtshof (OGH) meint eindeutig: ja. Der Gerichtshof hat erneut einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gerichtet, den Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der medizinisch unterstützten Fortpflanzung als verfassungswidrig aufzuheben.

Im Oktober war der OGH mit einer ähnlichen Initiative gescheitert, jedoch vorerst nur aus formalen Gründen. Nun wollen die Zivilrichter, die sich – wie der OGH insgesamt – zunehmend als gleichwertige Schützer der Grundrechte positionieren wollen, den VfGH zu einer inhaltlichen Entscheidung bringen. An einer zu engen Formulierung des Antrags sollte das Vorhaben diesmal nicht scheitern: Der OGH hat dem VfGH alle erdenklichen Varianten einer Aufhebung bis hin zum kompletten Fortpflanzungsmedizingesetz vorgelegt.

Österreichisch-deutsches Paar

Das Verfahren geht auf den Versuch eines lesbischen Paares zurück, ohne heterosexuelle Kontakte ein Kind zu bekommen. Die beiden – eine Österreicherin und eine Deutsche – waren 2008 in Deutschland eine Lebenspartnerschaft eingegangen, die auch in Österreich anerkannt ist. Das Fortpflanzungsmedizingesetz schließt aber eine künstliche Befruchtung für gleichgeschlechtliche Paare – wie übrigens auch für alleinstehende Frauen – aus. „Dies verstößt nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs gegen das Recht der Antragstellerinnen auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK) und gegen den Gleichheitssatz (Art 7 B-VG)“, formuliert der OGH in seinem neuen Antrag (3 Ob 224/12f).

Die Richter berufen sich auf eine Stellungnahme der Bioethikkommission, die bereits zum ersten Verfahren vor dem VfGH ergangen war: Es gebe keine zuverlässigen Studien, wonach sich ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung der beiden Hauptbezugspersonen schlechter entwickle als in einer verschiedengeschlechtlichen. Entscheidend sei vielmehr, so hatte die Bioethikkommission in einer mit 19 von 25 Stimmen beschlossenen Stellungnahme ausgeführt, die innerfamiliäre Beziehungsqualität; diese könne in Familien mit gleichgeschlechtlichen Paaren – und auch mit alleinstehenden Elternteilen – ebenso hoch sein wie in Familien mit verschiedengeschlechtlichen Eltern. Die überstimmte Minderheit ließ es sich damals nicht nehmen, in einer abweichenden Stellungnahme gegen eine Ausdehnung der künstlichen Befruchtung zu argumentieren. Punkto Studien vermissten die sechs Mitglieder Langzeitbeobachtungen, die gerade in Hinblick auf die langfristige psychosexuelle Entwicklung notwendig wären. Außerdem orteten sie widersprüchliche Trends in der Gesellschaft, die zu denken geben sollten: Während einerseits der Mehrwert der klassischen Familienkonstellation Vater-Mutter-Kind für die Entwicklung des Kindes zunehmend infrage gestellt werde, werde andererseits alles versucht, Väter stärker in die Kindererziehung einzubeziehen.

Zurück zum OGH: Die Richter führen auch gleichheitsrechtliche Bedenken gegen die aktuelle Regelung an. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, rechtlich abgesicherten eingetragenen Partnerschaften die Nutzung der Fortpflanzungsmedizin zu verbieten, während – weniger stabile – bloße Lebensgemeinschaften von Heterosexuellen sehr wohl auf diese zurückgreifen dürften. Auch der Umstand, dass nach österreichischem Recht in eingetragenen Partnerschaften der eine Partner mit Zustimmung des anderen einzeln ein Kind adoptieren darf, spricht laut OGH dafür, lesbischen Paaren das Kinderkriegen zu ermöglichen.

Schwule biologisch im Nachteil

So weit, dies auch für Schwule zu fordern – dazu müsste eine Leihmutter in Anspruch genommen werden, was in Österreich verboten ist –, geht der Gerichtshof aber nicht: „Die Unmöglichkeit einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung bei Partnerschaften von Männern ist eine biologisch bedingte ,Diskriminierung‘“; wegen der hier notwendigen Einbeziehung einer Frau als Leihmutter liege ein unterschiedlicher Sachverhalt vor, der auch anders geregelt bleiben dürfe.

Voriges Jahr ist der OGH gescheitert, weil er bei seiner Anfechtung einige Stellen im Gesetz übersehen hat, die selbst bei einer Aufhebung der angefochtenen Passage Lesben die Erfüllung des Kinderwunschs versagt hätten. Deshalb geht der OGH diesmal aufs Ganze – nämlich aufs ganze Fortpflanzungsmedizingesetz, das dann im Fall einer Aufhebung nach einer vom VfGH zu bestimmenden Frist neu erlassen werden müsste.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2013)

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