Sorgerecht neu: Ausstattung der Gerichte fehlt

Sorgerecht Ausstattung Gerichte fehlt
Sorgerecht Ausstattung Gerichte fehlt(c) Vinzenz Schüller
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Am 1. Februar tritt die Novelle zum Familienrecht in Kraft. Doch zusätzliche Richter gibt es noch ebenso wenig wie die Mitarbeiter für die neue Familiengerichtshilfe. Ministerium verspricht stufenweise Aufrüstung.

Wien. „Es gibt irrsinnige Probleme mit dem ganzen Gesetz.“ Mit diesen Worten umschreibt eine Familienrichterin die Situation, die durch das neue Sorgerecht entsteht. Ab 1. Februar treten die neuen Regeln in Kraft. Ab dann können Richter bei strittigen Scheidungen eine sechsmonatige Probephase für die Eltern anordnen, um zu testen, ob eine gemeinsame Obsorge sinnvoll ist. Helfen soll bei dieser Einschätzung die Familiengerichtshilfe, die generell bei Sorgerechtsfragen für ein konstruktives Klima zwischen den Streitparteien sorgen soll. Auch „Besuchsmittler“ werden eingeführt, um Kontakte zwischen Eltern und Kindern sicherzustellen. Doch die neuen Sozialarbeiter und Psychologen gibt es an den Gerichten noch ebenso wenig wie die zusätzlichen Richter, die das aufwendiger gewordene Sorgerechtsverfahren durchführen sollen.

Namentlich zitiert wollen befragte Familienrichter zwar nicht werden. Gegenüber der „Presse“ machen die Betroffenen aber kein Hehl daraus, dass noch unklar ist, wie man das neue Gesetz vollziehen wird. Die Familiengerichtshilfe gibt es bisher nämlich nur an vier Bezirksgerichten, wo sie als Modellprojekt bereits seit dem Vorjahr eingesetzt wird. An allen anderen Standorten der Justiz aber herrscht noch Rätselraten, wann die neuen Sozialarbeiter und Psychologen kommen und in welchen Räumlichkeiten sie Platz nehmen werden. Das Grundproblem liegt darin, dass die Novelle erst im Dezember 2012 im Parlament beschlossen wurde. Vorangegangen waren jahrelange politische Diskussionen, ehe sich Justizministerin Beatrix Karl und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek unter dem Eindruck eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) doch noch einigten. Der VfGH hatte im Juli des Vorjahres Teile des Gesetzes aufgehoben, weil uneheliche Männer diskriminiert waren. Als Reparaturfrist setzte das Gericht den 1. Februar 2013, deswegen wählte die Politik dieses Datum für die gesamte Sorgerechtsreform.

Ministerium: Vollausbau bis 2014

Das Justizministerium räumt ein, dass man, „um die Qualität auch sicherzustellen“, nicht von „heute auf morgen“ alle Standorte der Familiengerichtshilfe abdecken könne. Man werde aber in mehreren Stufen dafür sorgen. Bis zum Sommer sollen alle Landeshauptstädte abgedeckt sein, bis Ende 2013 alle größeren Bezirksgerichte. Im Juli 2014 will man den Vollausbau erreichen. Dann wird die Familiengerichtshilfe 200 Mitarbeiter an 25 Standorten umfassen, wobei jeder Standort mehrere Gerichte betreuen wird. Auch in Wien sei ein eigenes „Haus der Familiengerichtshilfe“ für die verschiedenen Gerichte geplant. Die österreichweit 20 zusätzlichen Richterstellen wiederum seien bereits genehmigt, die Präsidenten der Oberlandesgerichte dürften die Stellen schon besetzen.

Doch ganz so einfach ist auch das nicht. Denn kaum ein Richter aus einem anderen Rechtsbereich hat Lust, ins Familienrecht zu wechseln. Familienrichter zu sein ist emotional belastend, gleichzeitig sind die Karrierechancen sehr begrenzt. Bleibt nur die Variante, die 20 zusätzlichen Stellen mit Jungrichtern zu besetzen. Doch auch dies geht erst, wenn wieder Leute mit der mehrjährigen Richteramtsausbildung fertig sind.

Bisher positive Erfahrungen

Die neue Familiengerichtshilfe wird von der Justiz jedenfalls positiv gesehen. Dort, wo es sie als Modellprojekt bereits gibt, zeigt man sich fast schon euphorisch: „Wir haben die allerbesten Erfahrungen damit“, sagt Georgia Stix-Jaudl, Sprecherin des Bezirksgerichts Innsbruck, zur „Presse“. Die Richter könnten sich nun „mehr auf die juristische Tätigkeit zurückziehen“. Die Eltern wiederum würden im Rahmen der Familiengerichtshilfe ihre Standpunkte diskutieren und oft auch hinterfragen. Das Büro für Sozialarbeiter und Psychologen habe man nicht direkt bei Gericht, sondern in einer nahen Wohnung untergebracht. Es sei auch besser für das Gesprächsklima der Eltern, wenn sie sich nicht direkt bei Gericht treffen, betont Stix-Jaudl. Neben Innsbruck läuft das Modellprojekt bereits an den Bezirksgerichten Wien Innere Stadt, Amstetten und Leoben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2013)

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